ST. STEPHAN:
ST. STEPHAN:
Iiriul Fuchr, der Wiener Proto-Stirrealist der Zeit nach 1945, hat die
Sehreckensepoche seines Schaffens überwunden und den Weg zu einer
religiös-mystischen Kunst gefunden. In den Entwürfen zum Rosen-
kranz-Zyklus für die gänzlich umgestaltete Pfarrkirche von lletzen-
dorf begibt sich Fuchs im inhaltlichen ganz ins Gebiet ekstatisch-
esoterischer, völlig individualistischer Spekulationen, die formal zu
gekonnt, z u glatt, z u pretiös sind, um wirklich überzeugen zu können.
Ein unsympathischer, schwül-raffinierter Unterton im Verein mit fröm-
melnd wirkender Mimik rückt die neuesten Schöpfungen von Fuchs
in gefährliche. Nachbarschaft zum Schaffen der englischen Präraffac-
liten.
Wenig erfreulich sind die Schaffensprodukte des Rheinliinders Buju
Bingemer: Tachistisch malen bedeutet L: f 'cht, formale und
strukturelle Überlegungen zugunsten eines undisi. nierten Drauflos-
pinsclns zurückzustellen. Im Gegenteil, je wenig anschaulich die
Strukturgebundenheit, umso nötiger die Forderung n eh einer ganz tief
verankerten formalen Logik. Nur allzu leicht verli kt sich der junge
Kölner in bloßen Oberflächen-Effekten und will mit schillernden Far-
ben und gleißncrischem Stanniolpapier über die mangelnde Substanz
hinwcgtäuschcn.
jenreilx de: Tacbixmux hört sich anscheinend alles auf: Form- und
Gcstaltlosigkeit herrschen wie am ersten Schöpfungstag Lothar Quinte-
Rcutlingen und Hermann Bartcls-Frankfurt zeigten grölicre Leinwand-
flächen, die beim extremeren Bartels im wesentlichen monoehrom in
wenigen Abstufungen, beim zahmercn Quinte mit allerlei „Schmierern"
auf vorwiegend düsteren Gründen mehr als pastos angestrichen sind.
Ein wesentliches Ingrediens des Kunstschaffens, nämlich schöpferisches
Umsetzen von Motiv und Material, konnte von uns nicht mehr verspürt
werden. Das Peinlichste: Auch dem erfahreneren Galeriebesucher dräng-
te sich die Feststellung auf: „Das kann mein kleiner Maxl auch."
Angesichts des Schaffens der Vorgenanntcn wirkte die Ausstellung von
Werken des Malers llanr Birrlaoflxbaizsen wie eine Erlösung, eine Ehren-
rettung der modernsten Kunst: Es zeigte sich, daß der Stil nichts,
die Persönlichkeit alles ist. Bischoffshausen betreibt „strukturelle Ma-
lerei"; er nagelt Klötzchen auf Kistendeckel, produziert tabdruckhafte
Flachreliefs, die er mit Recht „Fossilien" nennt und scheut auch nicht
vor der Verwendung von Zahnprothesen und Rabitz-Fragmcnten zu-
rück; gelegentlich geht er seinen Collagen sogar mit der Lötlampc zu
Leibe. Aber all das hat eindeutig etwas zu sagen, zeugt von Reichtum
und Fülle der Imagination. ln einigen großformatigen Bildern teilt er
nachtblaue Flächen mit schrillen weißen Horizontalen, setzt darüber
Flammenzeichen, darunter die entsprechenden Reflexe: Wie faszinie-
rend das wirkt, kann nur der beurteilen, der solches gesehen hat Als
Literat ist Bischoffshausen ein „angry young man", der mit bit rcm
Hohn seine Bilder wie Kaufhausware anpreist und sich u. a. darüber
beklagt, daß ihm bislang kcin Rumstipendium zuteil wurde. Könnte
diesem Manne nicht geholfen werden? Wo sind die Mäzene unter un-
seren Lesern?
WÜRTHLE:
Feinkost für Kenner bot die kleine Verkaufsausstellung von Zeichnun-
gen und graphischen Blättern mit dem Titel „Die Landschaft". Bei nur
38 Nummern waren zwanzig Künstler vertreten, was bedeutet, daß
einige von ihnen nur mit Stilprohen hervortreten konnten. Wirklich
zu sehen waren Nolde und Böckl, ersterer mit vier grandiosen Aqua-
rellen, die von der Mystik dieses nordischen Magus der Malerei zeug-
ten. Böckl triumphierte mit nicht weniger als elf Arbeiten - keinesfalls
zu viel, denn die Universalität dieses neben Kokoschka größten der älte-
rcn österreichischen Maler der Gegenwart wurde aufidas schönste her-
vorgehoben; er meistert ebenso einen akademischen Klassizismus, wie
- auf der anderen Seite - die extreme Verknappung zum Zeichen- und
Formclhaften. Durch alle Arbeiten weht eine Art von grandiosem
Pathos, die an eine ins Zeitlose gesteigerte barocke Grundhaltung den-
ken Iäßt. Merkwürdig manieriert 'rkten die Blätter von Egon Schiele;
in zwei schönen Aquarellen von l eh Hackel war die Quintessenz de:
Schaffens der „Brüeke" enthalten. Die Namen von Kokoschka, Villon,
Kandinsky, Leger, Macke, Kirchncr und Pechstein können nur am Rande
vermerkt werden.
Ernst Köller
MEISTER DER
GOLDSCHMIEDEKUNST
Julius Bielz: „Die sächsische Goldsehmieclekunst Siebenbürgens."
Verlag für fremdsprachige Literatur, Bukarest 1957. -
In der Geschichte der europäischen Goldschmiedekunst kommt Sieben-
bürgen eine beachtliche Bedeutung zu. Ob für die Blüte dieses Kunst-
zweiges in diesem Lande der Reichtum des siebenbürgischen Bodens an
Edelmetall die Erklärung bietet, ist fraglich. Eher wird wohl die wirt-
schaftliche Blüte des Landes im Verlangen nach edlem Schmuck kirch-
licher und weltlicher Art sichtbaren Ausdruck gefunden haben. Das war
es _wohl auch, was immer wieder neue Zuwanderer aus dem Westen
anlocktc, mit denen auch Künstler, unter ihnen namhafte Meister,
ihren Weg nach Siebenbürgen fanden. Es sei an Hans Krug d. J. etwa
erinnert, de" von der Stadt Nürnberg den ehrenvollen Auftrag erhalten
hatte, die beiden Monstranzen des Jahres 1518 für die Reichskleinodien
zu machen, und wenige Jahre später auf der Wanderschaft dern Osten
entgegen zu finden ist.
Durch ähnlichen Zuzug erhielt die Kunst Siebcnbürgens immer neue
Impulse. Deutsche und ungarische Elemente vereinigten sich in ihrer
Goldschmiedekunst zu durchaus eigenen Lösungen, die besonders im
15. und 16. Jahrhundert wieder nach Deutschland, Böhmen und die
österreichischen Lande zurückwirkten. Hier, in Wiener Neustadt, wird
eine der großartigsten spiitmittelalterlichcn Goldschmiedearbeiten ver-
wahrt, der Corvinus-Pokal des Meisters Wolfgang Zulingcr, der einer
siebcnbürgischen Goldschmiedefamilie entstammte. Ob der Pokal wirk-
lich mit dem Friedens- tund Freundschaftsvertrag zwischen Kaiser
Friedrich III. und König Matthias Corvinus im Jahre 1462 zu verbin-
den ist, wie es nahczu die ganze Literatur haben will, erscheint wohl
fraglich. Der Schild, den der Ritter auf dem Knauf des Pokales hält,
ist eine Ergänzung des 19. Jahrhunderts in einer so merkwürdigen Form,
die uns kaum gestattet anzunehmen, daß er auf ein älteres Vorbild zu-
rückgeht, dem Datum und Monogramme entnommen seien. Andere
bisher nicht ausgewertete Anzeichen weisen aber auf andere Zusam-
menhänge des Pokale: mit Friedrich III. und mit Wiener Neustadt.
Derartige historische Fragen tangieren aber nicht den künstlerischen
Rang und die Bedeutung des Pokales, der wohl als Wiener Neustädter
Arbeit anzusehen ist, aber nur durch die engen Beziehungen des Künst-
lers zu Siebenbürgen erklärt werden kann. Ein Werk vom Range des
Corvinus-Pokales macht es begreiflich, daß zu dieser Zeit siebenbürgi-
sehe Arbeiten in grö erer Zahl nach dem Westen kamen. Neben der-
artigen finden sich auch Schöpfungen, die siebenbü ischer Import sind,
sondern auch solche, die angeregt durch siebenburgische Werke hier
geschaffen wurden. Siebenbürgische Künstler arbeiteten besonders in
Osterreich, Süddeutschland und in Böhmen. -
Die Zeit des 15. und frühen 16. Jahrhunderts war der Höhepunkt der
siebenbürgischen Goldschmiedekunst. Hier ist am stärksten ein eigener
Stil zu erkennen, den man zur Zeit des Rückgriffes auf gotische Vor-
bilder im 17. Jahrhundert wieder aufnahm. Von der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts an wurde die Eigenart Siebenbürgens immer mehr
durch deutsche ttnd niederländische Einflüsse zurückgedrängt. Nach
den entscheidenden Siegen der kaiserlichen Truppen nach 1683 wurde
die Wiener Goldschmiedekunst für Siebenbürgen vorbildlich. Diese
Epoche wird im Rahmen des vorliegenden Buches am schönsten durch
die Miederschließc im Brukenthal-Museum versinnbildet (Abb. 43), ein
kcnnzeichnendes Werk aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts
(nicht 17. Jahrhundertl).
Das vorliegende Buch bietet einen Überblick über die Entwicklung der
siebenbürgischen Goldschmicdekunst - nach einer kurzen Einleitung
mit Hinweisen auf die hier gefundenen frühmittelztlterlichen Goldschiitze
(Szilagysomlyo-Simlcul Silvaniei) - und versucht, über die histori-
schen und kunsthi orischen Fragen hinausgehend, eine kurze Ein-
führung auch in das Zunfttvesen, in Auftraggeber und Sammler, in die
Wirtschaft als Rückhalt der Goldschmiedekunst u. a. m. zu geben,
also alle Gesichtspunkte wenigstens anzudcuten, die für das Verständ-
nis dieser edlen Kunst in Siebenbürgen wesentlich sind. Dali der Autor
manchmal sich kurz fassen muß, geht aus dem knappen Umfang des
Buches hervor. Trotzdem ist nicht auf eine Bibliographie verzichtet,
die zusammen mit den in den Anmerkungen genannten Werken und
Aufsätzen zu weiterem Studium anleket. Eine Folge von 44 Abbildungen;
darunter einige farbige, komplettieren das gebotene Bild.
Hermann Fillitz
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