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Volltext: Alte und Moderne Kunst III (1958 / Heft 12)

ST. STEPHAN: 
ST. STEPHAN: 
Iiriul Fuchr, der Wiener Proto-Stirrealist der Zeit nach 1945, hat die 
Sehreckensepoche seines Schaffens überwunden und den Weg zu einer 
religiös-mystischen Kunst gefunden. In den Entwürfen zum Rosen- 
kranz-Zyklus für die gänzlich umgestaltete Pfarrkirche von lletzen- 
dorf begibt sich Fuchs im inhaltlichen ganz ins Gebiet ekstatisch- 
esoterischer, völlig individualistischer Spekulationen, die formal zu 
gekonnt, z u glatt, z u pretiös sind, um wirklich überzeugen zu können. 
Ein unsympathischer, schwül-raffinierter Unterton im Verein mit fröm- 
melnd wirkender Mimik rückt die neuesten Schöpfungen von Fuchs 
in gefährliche. Nachbarschaft zum Schaffen der englischen Präraffac- 
liten. 
Wenig erfreulich sind die Schaffensprodukte des Rheinliinders Buju 
Bingemer: Tachistisch malen bedeutet L: f 'cht, formale und 
strukturelle Überlegungen zugunsten eines undisi. nierten Drauflos- 
pinsclns zurückzustellen. Im Gegenteil, je wenig anschaulich die 
Strukturgebundenheit, umso nötiger die Forderung n eh einer ganz tief 
verankerten formalen Logik. Nur allzu leicht verli kt sich der junge 
Kölner in bloßen Oberflächen-Effekten und will mit schillernden Far- 
ben und gleißncrischem Stanniolpapier über die mangelnde Substanz 
hinwcgtäuschcn. 
jenreilx de: Tacbixmux hört sich anscheinend alles auf: Form- und 
Gcstaltlosigkeit herrschen wie am ersten Schöpfungstag Lothar Quinte- 
Rcutlingen und Hermann Bartcls-Frankfurt zeigten grölicre Leinwand- 
flächen, die beim extremeren Bartels im wesentlichen monoehrom in 
wenigen Abstufungen, beim zahmercn Quinte mit allerlei „Schmierern" 
auf vorwiegend düsteren Gründen mehr als pastos angestrichen sind. 
Ein wesentliches Ingrediens des Kunstschaffens, nämlich schöpferisches 
Umsetzen von Motiv und Material, konnte von uns nicht mehr verspürt 
werden. Das Peinlichste: Auch dem erfahreneren Galeriebesucher dräng- 
te sich die Feststellung auf: „Das kann mein kleiner Maxl auch." 
Angesichts des Schaffens der Vorgenanntcn wirkte die Ausstellung von 
Werken des Malers llanr Birrlaoflxbaizsen wie eine Erlösung, eine Ehren- 
rettung der modernsten Kunst: Es zeigte sich, daß der Stil nichts, 
die Persönlichkeit alles ist. Bischoffshausen betreibt „strukturelle Ma- 
lerei"; er nagelt Klötzchen auf Kistendeckel, produziert tabdruckhafte 
Flachreliefs, die er mit Recht „Fossilien" nennt und scheut auch nicht 
vor der Verwendung von Zahnprothesen und Rabitz-Fragmcnten zu- 
rück; gelegentlich geht er seinen Collagen sogar mit der Lötlampc zu 
Leibe. Aber all das hat eindeutig etwas zu sagen, zeugt von Reichtum 
und Fülle der Imagination. ln einigen großformatigen Bildern teilt er 
nachtblaue Flächen mit schrillen weißen Horizontalen, setzt darüber 
Flammenzeichen, darunter die entsprechenden Reflexe: Wie faszinie- 
rend das wirkt, kann nur der beurteilen, der solches gesehen hat Als 
Literat ist Bischoffshausen ein „angry young man", der mit bit rcm 
Hohn seine Bilder wie Kaufhausware anpreist und sich u. a. darüber 
beklagt, daß ihm bislang kcin Rumstipendium zuteil wurde. Könnte 
diesem Manne nicht geholfen werden? Wo sind die Mäzene unter un- 
seren Lesern? 
WÜRTHLE: 
Feinkost für Kenner bot die kleine Verkaufsausstellung von Zeichnun- 
gen und graphischen Blättern mit dem Titel „Die Landschaft". Bei nur 
38 Nummern waren zwanzig Künstler vertreten, was bedeutet, daß 
einige von ihnen nur mit Stilprohen hervortreten konnten. Wirklich 
zu sehen waren Nolde und Böckl, ersterer mit vier grandiosen Aqua- 
rellen, die von der Mystik dieses nordischen Magus der Malerei zeug- 
ten. Böckl triumphierte mit nicht weniger als elf Arbeiten - keinesfalls 
zu viel, denn die Universalität dieses neben Kokoschka größten der älte- 
rcn österreichischen Maler der Gegenwart wurde aufidas schönste her- 
vorgehoben; er meistert ebenso einen akademischen Klassizismus, wie 
- auf der anderen Seite - die extreme Verknappung zum Zeichen- und 
Formclhaften. Durch alle Arbeiten weht eine Art von grandiosem 
Pathos, die an eine ins Zeitlose gesteigerte barocke Grundhaltung den- 
ken Iäßt. Merkwürdig manieriert 'rkten die Blätter von Egon Schiele; 
in zwei schönen Aquarellen von l eh Hackel war die Quintessenz de: 
Schaffens der „Brüeke" enthalten. Die Namen von Kokoschka, Villon, 
Kandinsky, Leger, Macke, Kirchncr und Pechstein können nur am Rande 
vermerkt werden. 
 
Ernst Köller 
MEISTER DER 
GOLDSCHMIEDEKUNST 
Julius Bielz: „Die sächsische Goldsehmieclekunst Siebenbürgens." 
Verlag für fremdsprachige Literatur, Bukarest 1957. - 
In der Geschichte der europäischen Goldschmiedekunst kommt Sieben- 
bürgen eine beachtliche Bedeutung zu. Ob für die Blüte dieses Kunst- 
zweiges in diesem Lande der Reichtum des siebenbürgischen Bodens an 
Edelmetall die Erklärung bietet, ist fraglich. Eher wird wohl die wirt- 
schaftliche Blüte des Landes im Verlangen nach edlem Schmuck kirch- 
licher und weltlicher Art sichtbaren Ausdruck gefunden haben. Das war 
es _wohl auch, was immer wieder neue Zuwanderer aus dem Westen 
anlocktc, mit denen auch Künstler, unter ihnen namhafte Meister, 
ihren Weg nach Siebenbürgen fanden. Es sei an Hans Krug d. J. etwa 
erinnert, de" von der Stadt Nürnberg den ehrenvollen Auftrag erhalten 
hatte, die beiden Monstranzen des Jahres 1518 für die Reichskleinodien 
zu machen, und wenige Jahre später auf der Wanderschaft dern Osten 
entgegen zu finden ist. 
Durch ähnlichen Zuzug erhielt die Kunst Siebcnbürgens immer neue 
Impulse. Deutsche und ungarische Elemente vereinigten sich in ihrer 
Goldschmiedekunst zu durchaus eigenen Lösungen, die besonders im 
15. und 16. Jahrhundert wieder nach Deutschland, Böhmen und die 
österreichischen Lande zurückwirkten. Hier, in Wiener Neustadt, wird 
eine der großartigsten spiitmittelalterlichcn Goldschmiedearbeiten ver- 
wahrt, der Corvinus-Pokal des Meisters Wolfgang Zulingcr, der einer 
siebcnbürgischen Goldschmiedefamilie entstammte. Ob der Pokal wirk- 
lich mit dem Friedens- tund Freundschaftsvertrag zwischen Kaiser 
Friedrich III. und König Matthias Corvinus im Jahre 1462 zu verbin- 
den ist, wie es nahczu die ganze Literatur haben will, erscheint wohl 
fraglich. Der Schild, den der Ritter auf dem Knauf des Pokales hält, 
ist eine Ergänzung des 19. Jahrhunderts in einer so merkwürdigen Form, 
die uns kaum gestattet anzunehmen, daß er auf ein älteres Vorbild zu- 
rückgeht, dem Datum und Monogramme entnommen seien. Andere 
bisher nicht ausgewertete Anzeichen weisen aber auf andere Zusam- 
menhänge des Pokale: mit Friedrich III. und mit Wiener Neustadt. 
Derartige historische Fragen tangieren aber nicht den künstlerischen 
Rang und die Bedeutung des Pokales, der wohl als Wiener Neustädter 
Arbeit anzusehen ist, aber nur durch die engen Beziehungen des Künst- 
lers zu Siebenbürgen erklärt werden kann. Ein Werk vom Range des 
Corvinus-Pokales macht es begreiflich, daß zu dieser Zeit siebenbürgi- 
sehe Arbeiten in grö erer Zahl nach dem Westen kamen. Neben der- 
artigen finden sich auch Schöpfungen, die siebenbü ischer Import sind, 
sondern auch solche, die angeregt durch siebenburgische Werke hier 
geschaffen wurden. Siebenbürgische Künstler arbeiteten besonders in 
Osterreich, Süddeutschland und in Böhmen. - 
Die Zeit des 15. und frühen 16. Jahrhunderts war der Höhepunkt der 
siebenbürgischen Goldschmiedekunst. Hier ist am stärksten ein eigener 
Stil zu erkennen, den man zur Zeit des Rückgriffes auf gotische Vor- 
bilder im 17. Jahrhundert wieder aufnahm. Von der zweiten Hälfte des 
16. Jahrhunderts an wurde die Eigenart Siebenbürgens immer mehr 
durch deutsche ttnd niederländische Einflüsse zurückgedrängt. Nach 
den entscheidenden Siegen der kaiserlichen Truppen nach 1683 wurde 
die Wiener Goldschmiedekunst für Siebenbürgen vorbildlich. Diese 
Epoche wird im Rahmen des vorliegenden Buches am schönsten durch 
die Miederschließc im Brukenthal-Museum versinnbildet (Abb. 43), ein 
kcnnzeichnendes Werk aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts 
(nicht 17. Jahrhundertl). 
Das vorliegende Buch bietet einen Überblick über die Entwicklung der 
siebenbürgischen Goldschmicdekunst - nach einer kurzen Einleitung 
mit Hinweisen auf die hier gefundenen frühmittelztlterlichen Goldschiitze 
(Szilagysomlyo-Simlcul Silvaniei) - und versucht, über die histori- 
schen und kunsthi orischen Fragen hinausgehend, eine kurze Ein- 
führung auch in das Zunfttvesen, in Auftraggeber und Sammler, in die 
Wirtschaft als Rückhalt der Goldschmiedekunst u. a. m. zu geben, 
also alle Gesichtspunkte wenigstens anzudcuten, die für das Verständ- 
nis dieser edlen Kunst in Siebenbürgen wesentlich sind. Dali der Autor 
manchmal sich kurz fassen muß, geht aus dem knappen Umfang des 
Buches hervor. Trotzdem ist nicht auf eine Bibliographie verzichtet, 
die zusammen mit den in den Anmerkungen genannten Werken und 
Aufsätzen zu weiterem Studium anleket. Eine Folge von 44 Abbildungen; 
darunter einige farbige, komplettieren das gebotene Bild. 
Hermann Fillitz 
 
  
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