zweckmäßiger zu gestalten. Man muß etwa ein Gießgefäß Ob-
siegers in der Hand gehabt haben, leer und gefüllt, um zu
spüren, wie zweckmäßig der Henkel am Gefäß sitzt, um zu
spüren, daß der Henkel so geformt ist, daß das Krüglein nie-
mals der haltenden Hand entgleiten wird; daß beim Ausgicßcn
kein lästiger Tropfen über die Gefiißwand läuft; und daß
schließlich Obsiegcrs Gefäße weit mehr lilüssigkeit aufzunehmen
vermögen, als man ihnen zutrauen würde. Daß solche Eigen-
schaften hervorgehoben werden, klingt vielleicht in den Zeiten
des „Industrial Design" merkwürdig, da die Zweckmäßigkeit
im Verein mit der guten Form als oberstes Gesetz gilt; aber wie
selten werden selbst heutzutage diese Forderungen erfüllt, die
Obsieger vor Jahrzehnten bereits durch sein Beispiel als klare
Selbstverständlichkeit aufgezeigt hat. Man denke etwa an die
Blumengefäße Obsiegers - Blumengefäße gelten im allgemeinen
nicht gar so streng zweckgebunden -, man denke sogar an die
kapriziösen und launigen Einfälle Obsiegers aus seinen letzten
Jahren; wer versucht hat, Blumen oder blühende Zweige in seine
Gefäße zu ordnen, wird festgestellt haben, wie willig diese Ge-
fäße die Blumen aufnehmen, daß sie keineswegs verlangen, daß
alle Pflanzen wie Grcnadiere gewachsen sind; im Gegenteil,
manche der (Äiefaße zeigen sogar eine Vorliebe für wettergebeug-
tes und krummgcwachsenes Geäst. Obsiegcrs Lieb: zur Pflan-
zenwelt hat seine Blumengefiißc mitgeschaffcn; in seinem Ate-
lier steckten immer in etlichen neuen Formen ein paar Zweige
oder Blumen, um zu prüfen, wie Form und Inhalt sich vertragen.
Das gleiche gilt noch in verstärktem Maße für Obsicgers Ka-
chelöfen; er hat niemals einen Ofen ins Blaue hinein entworfen,
Erste Voraussetzung war immer der Raum, für den der Ofen
bestimmt war; die Wärmemcngc, die der Ofen liefern sollte,
der Platz, den der Ofen einzunehmen hatte, waren die weiteren
Grundlagen des Konzeptes, ebenso wichtig waren die inneren
Organe und die Eingriffsmöglichkeiten in diese inneren Or-
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gane; alles das tat aber der künstlerischen Gestaltung des Ofens
keinen Abbruch. Obsiegers Ofen sind immer alles das gewesen,
was man von einem Kachelofen verlangt, ein kunstvolles, gut
funktionierendes Möbel in einem Wohnraum. Bei einer Gele-
genheit, wo mit dem Platz für den Kachelofen besonders gespart
werden mußte, hatte Obsieger den gelungenen Einfall, auf das
Gehäuse des Ofens zu verzichten und bloß das Skelett der Züge
mit Kacheln zu ummanteln, und trotzdem wurde eine starke
künstlerische Wirkung erzielt.
Soviel über die Form, das eine der künstlerischen Ausdrucks-
mittel, die dem Keramiker zur Verfügung stehen. Die Vielfalt
der Variationen, die bei jeder Grundform möglich ist, und durch
verhältnismäßig einfache Mittel, ist Legion. Ein sanftes Ein-
drücken, ein kräftiges Quetschen, ein Umschlagen oder Auf-
schlitzen der Gefäßwand, eine Annäherung an tierähnliche Ge-
bilde, das Belassen der Aufzichrillen oder Glätten des Gefäßes,
Größe und Stellung des Henkels, Variationen der Ausgußformen
- um nur einige Elemente zu nennen.
Das zweite wichtige Ausdrucksmittel, das dem Keramiker in
vielleicht noch größerer Abwandlungsmöglichkeit zur Verfü-
gung steht, und dessen sich Obsieger mit der gleichen Virtuosität
bedient hat wie der liormgcbung, ist die Glasur. Obsiegers
ganzes Leben war erfüllt von dem Bemühen, alterprobtcn und
neuen Glasurrezcpten immer neue Wirkungen abzuringen.
Neben den schimmernden, an Edelsteine erinnernden glänzen-
den Glasurcn liebte Obsieger die gedämpft wirkenden matten
Glasuren, die die Schönheit der Form noch klarer hervortreten
lassen. Und alle seine Glasuren werden niemals zum leblosen
farbigen Überzug, alle besitzen sie jenc eigenartige Lebendigkeit,
wie sie die chinesischen Keramiker in ihren besten Zeiten auf-
weisen, womit nicht gesagt sein soll, daß Obsieger es je darauf
abgesehen hatte, seine Zunftgenossen aus dem Fernen Osten
zu kopieren.
Wenn in den letzten Jahrzehnten auf internationalen Ausstel-
lungen Keramiken mit aufgekochten Glasuren wie eitrige Schwä-
ren oder krätzige Haut erschienen, wenn outrierte Formen vor-
geführt wurden, die ihre Herkunft dem Zeichenstift, nicht aber
der Töpferscheibe und der schaffenden Hand verdanken, und
diese Produkte hochgepriesen wurden, ließ sich Obsieger niemals
davon beirren. Es mag ihm jedoch eine gewisse innere Befrie-
digung bereitet haben, wenn in den beiden letzten Triennalen
in Mailand von einigen Ländern Keramiken als etwas Neues
vorgeführt wurden, Keramiken in schlichten Formen und kunst-
vollen Glasuren, wie er sie stets durch die Tat propagierte.
Es wäre völlig falsch, sich etwa vorzustellen, daß Obsiegers
Lebenswerk ohne jeden Wandel in steter Gleichmäßigkeit ver-
laufen sei. Wie bei jedem echten und großen Künstler gibt
es auch bei Obsieger Zeiträume, die der Historiker mit Klassi-
zismus, Barock und Rokoko bezeichnen möchte. Klassizismus -
eine vorwiegend kühle, klare Form; Barock - schwere, wuch-
tige Formen, vorwiegend dickwandigere Gefäße, Glasuren von
einer gewissen inneren Unruhe: Rokoko - das Spielerische in
der Form, das Capriccio von Gefäßmetamorphosen mit meist
strahlenden Glasuren. Über all diese Wandlungen hinaus geht
ein Alterswerk Obsiegers, das Fliesenrclief aus dem Jahre 1956,
in dem er der „CREANS MANUS", der schaffenden Hand, ein
Denkmal setzte.
Mit Robert Obsieger hat Österreich in dem letzten halben
Jahrtausend zum driltenmal in der Keramik einen Gipfelpunkt
erreicht, der dieses Mal - wie sollte es in unserer individuell
veranlagten Zeit anders sein - einer einzigen überragenden
Künstlerpersönlichkeit zu verdanken ist.
Abb. 4: Robert Obsieger, großes Gartengefäli in Form eines Widders
(G5 cm lang, 65 cm hoch).
Usterrelehlsches Museum In! angewandte Kunst