gemalt hat, oder 0b er nur der große Kalligraph war. Wesent-
lich ist, daii diese Bilder überhaupt geschaffen wurden und daß
Ikkyus volkstümlicher, satirischer Witz dieselbe Einstellung ver-
rät.
Das damals entstandene Zenga unterscheidet sich, vor allem in
seiner erst im 17. und besonders im 18. Jahrhundert erreichten
reifen Form, grundlegend von der bloß vom Zen-Geist inspi-
rierten Malerei. Seine Schöpfer waren nicht Mönche, die, man
möchte fast sagen, hauptberuflich malten und schon gar nicht
berufsmäßige Laienmaler, sondern die großen Lehrer und Mei-
ster des Zen selbst, die leitenden Mönche der großen Klöster
des Zen. Deren Absicht aber war nicht die Schaffung von
Kunstwerken, sondern ihre Bilder waren einerseits Ausdruck
ihres eigenen inneren Erlebens, andererseits Mittel, um ihren
Schülern auf dem Weg zur Erleuchtung weiterzuhclfen. So
waren sie gedacht, aber wären sie nur das, dann wären sie nur
für den Religionshistoriker von Interesse. Sie sind aber zu-
gleich bedeutende Kunstwerke, wenn sie auch dazu gewisser-
maßen nur absichtslos wurden. Einem Europäer mag es nicht
leicht begreiflich sein, daß für den Abt eines Klosters, um
einen nicht ganz, aber doch annähernd zutreffenden Vergleich
zu wählen, nur ein Willensakt notwendig war, um ein Kunst-
werk zu gestalten. Aber in Ostasien liegen die Verhältnisse
anders. Bildnerische Begabung scheint dort tatsächlich stärker
verbreitet zu sein, und dazu war jeder Hochgebildete allein
schon durch seine Schreibarbeit in der Technik der Pinsel-
führung so geübt, daß er über eine wesentliche Voraussetzung
der Tuschmalerei von vornherein verfügte. In China wie in
japan waren daher immer wieder Männer, die wir Dilettanten
oder Amateure nennen würden, Künstler höchsten Ranges und
die Kunst berufsmäßiger Maler wurde von den Ostasiaten meist
ein wenig geringer gewertet als die der sogenannten Gentlemen-
maler.
Als hochgebildete Männer, zur geistigen Elite ihres Volkes
gehörend, vertraut von Jugend an mit Malerei, geübt in der
Führung des Pinsels, oft auch richtig geschult von Malern,
waren auch die Zen-Meister in dcr Lage, echte Kunstwerke her-
vorzubringen, zumal viele von ihnen auch über hohe malerische
Begabung verfügten. Freilich fügen sich ihre Werke nicht in
den akademischen Kanon ein. Ob sie nun rasche Nicderschriften
eines inneren Erlebnisses waren oder Mitteilung von Ideen an
die Schüler, in jedem Fall war weder Zeit noch Anlaß für die
Anwendung einer subtilen Technik oder für die Beobachtung
festgelegter Regeln. Rasch mußten dic Bilder hingeworfen wer-
den und knapp mußten ihre Themen gefaßt werden; das ent-
sprach ja überdies der zum Aphoristischen neigenden Denkweise
des Zen. Und nicht zu ästhetischem Genuß sollten dic Bilder
dienen, sondern zu leichter und einprägsamer Erkenntnis. Das
Lehrhafte, aber keineswegs im Predigerton vorgetragen, über-
wiegt in den Themen und die Landschaft tritt hier weitgehend
zurück. Der freiwillige Verzicht auf die Harmonie und Glätte
des akademischen Stiles brachte aber auch einen nicht geringen
künstlerischen Gewinn. Stärker als in der akademischen Malerei
sind die Bilder des Zenga Ausdruck der Persönlichkeit ihrer
Schöpfer; unverkennbar, wie eine Handschrift, sind besonders
im späteren Zcnga die Linienzüge von Meistern wie Hakuin
oder Sengai. Frische und Unmittelbarkeit, sprühende Lebendig-
keit, Humor und Witz sind entscheidende Qualitäten dieser
Malerei. Der Drang nach stärkster Charakterisierung der Per-
sonen und Situationen, das Verlangen nach gesteigerter Aus-
druckskraft sprengen oft die für den Osten kennzeichnende
Bindung an die Natur und verleihen den Bildern Wesenszüge,
die es notwendig machen, bei ihrer Beurteilung andere Maß-
stäbe anzulegen, als jene, die der übrigen ostasiatischen Ma-
lerei gemäß sind. Den Meistern des reifen Zenga ging es nicht
darum, einem optischen Eindruck aus ihrer Umwelt eine Form
zu verleihen, die seine zufälligen und seine wesentlichen Züge
in ein harmonisches Gleichgewicht bringen sollte. Sie wollten
nicht beruhigen, sondern aufwühlen, sei es durch drohenden
Ernst, sei cs durch befreiende Heiterkeit. Die Rasanz der Pinsel-
züge, ja Pinsclhiebe, deren Unvollkommenheiten lassen uns das
Spontane des Schaffensvorganges miterleben. Das Skizzenhafte,
Stenctgraphische zwingt uns zur Mitarbeit und wir fühlen uns
persönlich angesprochen; oft grenzt diese Wirkung an einen
verblüffenden Anruf.
Es ist begreiflich, daß diese Züge zur Demokratisierung der Zen-
Lehre sehr beitrugen. Und diese Wirkung war beabsichtigt.
Die Nötigung dazu ergab sich aus dem Wandel der sozialen
Struktur, dcr sich unter dem Regime der Tokugawa (1615 bis
1868 n. Chr.) vollzog. Die vorausgehenden langen Machtkämpfe
hatten den Adel geschwächt und die Tokugawa-Shogune hielten
ihn weiterhin in drückender Abhängigkeit und sorgten dafür,
daß sich keine gefährlichen Reichtümer innerhalb dieses Stan-
des bilden konnten. Während des Absinkens der Macht der
Zentralregierung in der Zeit der Bürgerkriege aber hatte sich
bereits ein neuer Stand zu entwickeln begonnen, ein städti-
sches Bürgertum, das große Reichtümer ansammeln konnte und
das sich nun anschickte, auch die geistige Führung zu überneh-
men. Diese Kreise für den Zen zu gewinnen und damit auch
diesen selbst, der seine Reinheit und Schwungkraft stark ein-
gebüßt hatte, neu zu beleben, war eine wichtige Aufgabe. In
ihren Dienst wurde alles gestellt: der mit dem Zen von China
gekommene und nun von Rikyu (1522 bis 1591 n. Chr.) in neue
Formen gebrachte und mit dem Zen-Geist tief erfüllte Kult
des Teetrinkens (Chanoyu), das neugeschaffene Kurzgedicht aus
siebzehn Silben (Haiku) ebenso wie die Malerei. Beim Teekult,
wenn man ein Bild betrachtete und sich über die Schönheit und
den Sinn eines Gedichtes unterhielt, waren alle guten Geister
des Zen vereinigt. Nicht umsonst heißt es „Zen und Tee sind
eins". Rikyu, aus einer Kaufmannsfamilie stammend, war eben-
so Zen-Anhänger wie der größte neuzeitliche Lyriker Japans,
der Haiku-Diehter Basho (1644 bis 1694 n. (Ihn), der übrigens
auch die Kunst der Malerei ausübte. Im Leben durch rund hun-
dert Jahre getrennt, können sie gewissermaßen als Lcitgestalten
der Periode aufgefaßt werden, in der sich die Demokratisierung
des Zen vollzog.
Zu den geistigen Führern dieser Erneuerung des Zen gehörten
auch drei der Maler, die in der Ausstellung vertreten sind: die
Meister Takuan Sohn (1573 bis 1645 n. Chr.), Ungo Kiyo (1582
bis 1659 n.Chr.) und Isshi Bunshu (1608 bis 1646 n.Chr.). Sie
stellten nicht nur ihre Malerei in den Dienst der neuen Auf-
gabe, sondern förderten diese auch, indem sie die schwierig zu
erlernenden chinesischen Schriftzeichen durch die wesentlich
leichtere Silbenschrift, das Hiragana, ersetzten. lm 1B. jahr-
hundert wurde dann die neu gewonnene Malweise, das Zenga,
zu seiner vollen Reife geführt. Zwei große Meister, Meister
des Zen und der Kunst, traten nacheinander auf, Hakuin Ekaku
(1685 bis 1768 n. Chr.) und Sengai Gibon (1750 bis 1837 n.Chr.).
Hakuin war ein unermüdlicher Seelsorger, ein fruchtbarer Autor
gelehrter Werke und ein glänzender Vortragender, für uns aber
liegt seine Bedeutung in seiner kraftvollen, ausdrucksstarken
Malerei. Auch zwei seiner Schüler, Suio Eibaku (1716 bis 1789
n. Chr.) und Torei Enji (1721 bis 1792 n.Chr.), waren begabte
Maler. Sengai's sarkastischer Witz führt ihn in manchen seiner
Malereien zu Gestalten, deren geniale Deformierungcn an mo-
dernc europäische Kunst erinnern.
Alle diese Künstler, die ja zudem nur eine Auswahl darstellen,
wird man vergebens in Werken aufsuchen, die sich mit japa-
nischer Malerci befassen. Ihre so eigenartige und selbständige
Kunst ist für den Westen noch unentdeckt. Und doch bleibt
zum Beispiel das Bild des künstlerisch so fruchtbaren 18. jahr-
hunderts unvollständig, wenn man neben dem Naturalismus der
Maruyama-Schule, neben dem Idealismus der Literatenmalerei,
des Bunjinga, und neben dem verfeinerten Realismus des Uki-
yoe, das der Westen durch den Farbholzschnitt am besten kennt,
das Zenga, die Malerei der Zen-Meister übersieht. Gerade zum