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Volltext: Alte und Moderne Kunst IV (1959 / Heft 3)

 
Hallcr Glnshüuc, Scbzlstizln Höchsleuvr (um 1500): TH-ichtcrpokal 
der Sluhengcscllschnft Hall. 
III. Die Innsbrucker Ilofglaxbütle und ibr Einfluß auf die 
llaller Glashütte 
(1570-1596) 
Mit dem neuen Landesfürsten Erzherzog Ferdinand II. (1563 bis 
1595) tritt die voll ausgebildete und italienisch ausgerichtete 
Hochrenaissance an die Stelle des bisherigen deutsch-bürger- 
lichen Kunstschalfens. Ferdimnd hatte schon am Prager Hol 
durch seinen erlesenen Geschmack hohe Ansprüche an das 
Kunstgewerbe gestellt und für die Zeremoniell ausgebildeten 
Tiseh- und Trinksitten eine besondere Schwäche. Als Seba- 
stians Bruder, Dr. Johann Chrysostomus Höchstetter, Regiments- 
rat in Innsbruck, die Haller Glashütte 1569 übernahm, war es 
nicht ohne weiteres möglich, lierdinands verwöhnten Geschmack 
zu belriedigen. Seine Gläser wurden 1569 als nicht so rein und 
schön wie die venetianischen bezeichnet. Ferdimnds Sonder- 
wünsche warcn sogar in Murano nicht ohne weiteres zu erfül- 
len und machten dem damit bemühten kaiserlichen Gesandten 
in Venedig oft. viel Mühe. Trotzdem erfolgten für den Inns- 
brucker Hof 1573, 1581 und 1590 größere Glasbestellungen in 
Hall, ja sogar nach Prag und Wien ließ Ferdinand Haller Glas- 
scheiben in größeren Mengen schicken (1590). Seine speziellen 
Glasaufträge für die Holtalel hatte der kaiserliche Botschafter 
in Venedig zu erfüllen. So bestellte er 1568 nach eigenen Vorla- 
gen 46 Trinkgläser von allerlei Gattungen, vergoldet, von denen 
einige wegen ihrer Größe und bizarren Form sogar in Einzel- 
teilen geblasen werden mußten. 1573 bestellte Ferdinand II.. in 
Venedig wieder Gläser mit verschiedenen Schnüren (Reifen) 
und starker Vergoldung, und acht große Laternen, 1578 acht glä- 
serne Ampeln in rot, blau, gelb und grün für die Beleuchtung 
des Heiligen Grabes. Auch von den wandernden Glashändlern, 
besonders von Alois Oriol von Trient, kaufte er venezianische 
Deckelpokale, Uringläser usw. 
Die Langwierigkeit der Aufträge ließ in Ferdinand den Wunsch 
nach einer eigenen Hofglashütte in Innsbruck her- 
anreifen, die seinen persönlichen Absichten gerecht werden 
konnte. Schon vor 1570 wurde im Hofgarten bei der Sommer- 
residenz Ruhelust neben der Hofburg in Innsbruck ein Glasofen 
mit Wohnung errichtet. Der kaiserliche Gesandte in Venedig 
erhielt 1570 den Auftrag, im Schutz seiner Immunität heim- 
lich Glasmacher in Murano für den Erzherzog anzuwerben. 
Nachdem ein erster Versuch mit dem Meister Pietro dell'Orso 
an der Angst der Angeworbenen vor den Repressalien der Signo- 
ria gescheitert war, beschritt man den umgekehrten Weg. Der 
aus der Grafschaft Montfcrrat stammende Glasmacher Antonio 
Montano wurde 1572 zur weiteren Ausbildung unter dem Vor- 
wand einer Geschäftsreise bei einem tüchtigen Meisterin Murano 
untergebracht, da Ausländer von der Glasmacherkunst in Vene- 
dig ausgeschlosscn waren. Montano war ein Mitglied der im Ge- 
gensatz zu den Muranesen zur Wanderschaft verpflichteten Glas- 
machergenossenschaft von Altare in der Grafschaft Montferrat 
(nördlich von Savona). Montano, der kein ganz großer Künstler 
war, brachte auch die begehrten Modelstücke aus Bronze, über 
denen die komplizierten Gläser geblasen wurden, mit. 1573-74 
leitete Salvatore Savonetto aus Murano die Innsbrucker Glas- 
hütte mit großem Erfolg. Er und sein Vater Sebastiano Savo- 
netto (Salvetti) arbeiteten bis 1578 immer wieder zeitweise für 
den Erzherzog in Innsbruck. Salvatorc machte sich 1575 durch 
eine bewaffnete Attacke auf Kammerbeamte und die Diebstähle 
seines Gesindes in den Gärten der Innsbrucker Bürger wenig be- 
liebt. Sebastian Savonettogoß1574 die „venedigischenCristall- 
glastafeln", die zum Schutz der Alabasterreliefs von Alexander 
Colin am Grabmal Kaiser Maximilians in der Innsbrucker Hof- 
kirche eingesetzt wurden. 
Der bedeutendste Glasmacher der Innsbrucker Hofglashütte war 
der Venezianer An d re a T u d i n (Dubin), der 1574-83 tätig 
war. Der Erzherzog bezeichnete ihn schon 1575 als Glaskünstler, 
der eleganteste Werke aus Glas zu seinem größten Wohlgefallen 
und alleinigen Gebrauch hergestellt habe. 1581 hatte Ferdinand 
mit eigener Hand ein Trinkglas geblasen, das er in Gold fassen 
und mit 48 Rubinen verzieren ließ. Über die Organisation der 
Hofglashütte erfahren wir in einem Bericht an Herzog Wilhelm 
von Bayern 1587 einiges: Die Glasmaeher erhielten die Hütte, 
Werkzeug, freie Wohnung (für sich und die Familie), Holz, 
Essen und Trinken, aber keine Geldentlohnung. Sie mußten 
für den Hof kostenlos Glasscheiben und Trinkgläser herstellen, 
den Rest ihrer Produktion durften sie frei verkaufen. Die Hof- 
glashütte war nicht ohne Unterbrechung in Betrieb. Über Bitte 
johann Chrysostomus Höehstetlers ruhte 1579 die Arbeit, dafür 
mußte Antonio Montano an der Haller Hütte von Höehstetter be- 
soldct werden und dort für den Hof die nötigen Gläser erzeugen 
Montano, der dauernd in Hall ansiißig blieb und bis 1590 erwähnt 
wird, stellte wohl nur Durchschnittsware her, erhielt aber für 
dem Erzherzog verehrte Gläser 1585 sogar ein Hofkleid. 1590 
schickte Graf Wilhelm von Zimmern seinen Glasmacher, der 
gläserne Ketten machte, über Bitte Ferdinands auf einige Wochen 
von Meßkirch an den Innshrucker Hof. 1591 erhielten die Glas- 
macherlehrlinge Vestl und Christi für ihre Mithilfe bei der Glas- 
arbeit an der Innsbrucker Hofglashüite je ein Kleid. Es ist dies 
die letzte Nachricht von der bald darauf, spätestens aber mit 
Erzherzog Ferdinands Tod, eingestellten Hofglashütte. 
Aus der Innsbrucker Hofglashütte ist eine von Sehloß Ambras 
in das Kunslhistorische Museum nach Wien gekommene Gruppe 
von Prunkgläscrn erhalten geblieben. Sie zeigen die typische 
Gestaltung der gleichzeitigen venezianischen Gläser, Manieris- 
mus mit traubigen, über Modeln gepreßten Schäften, den reichen
	        
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