KREMS UND STEIN,
ZWEI
MITTELALTERLICHE
STÄDTE
ZUR AUSSTELLUNG „GOTIK IN NIEDERÖSTERREICH"
Von JOSEF ZYKAN
Krems
. d. Donau, Sleinerlol-
Selten noch hat eine Kunstausstellung einen so entsprechenden
Rahmen gefunden, wie dies bei der Ausstellung gotischer Kunst
in Niederösterreich der Fall sein wird, welche Ende Mai in Stein
eröffnet werden soll. Wir sind gewohnt, mittelalterliche Kunst-
werke in Museen und in modernen Ausstellungsräumen zu be-
wundern und nehmen ihre Isolierung oft gerne in Kauf, wenn
uns eine genaue und ungestörte Betrachtung erlaubt ist. In
Stein werden großartige sakrale Räume aus gotischer Zeit den
Hintergrund abgeben und die Kunstwerke in rechtem Licht er-
scheinen lassen. Auch die Räume selbst werden Gegenstand der
Ausstellung sein, Raume die erst vor kurzem wiedergewonnen
wurden, als dort 1951 die Kremser Schmidt-Ausstellung statt-
fand. Die in josephinischer Zeit exsekrierte Kirche diente lange
als Tabakmagazin, der Chor war zu diesem Zwecke durch Ein-
bauten aus Holz unterteilt worden. Später benützte man das
Langhaus als Feuerwehrdepot. Nun sind auch die Gewölbe des
nördlichen Seitenschiffes freigemacht und die ganze Kirche ist
als eine der schönsten frühgotischen Bauten Österreichs gut
überschaubar, eine hasilikale Pfeilerkirehe, das Langhaus 1264
geweiht, ein hoher frühgotischer Chor, mit Fresken und Dekora-
tionen von hoher Qualität geschmückt. Die Darstellung des Ge-
kreuzigten von der Hand eines italienischen Wanderkünstlers
um 1360 überragt an Bedeutung die übrigen Malereien, von de-
nen eine Verkündigung um 1280 die älteste sein mag. Von be-
sonderer Schönheit ist aber der frühgotische Kapitelsaal des
ehem. Minoritenklosters, ein Raum mit einer zarten Mittelstütze,
der teilweise verschüttet war und als Kohlenkcller und Hühner-
stall diente und nun wieder als Raum zur Geltung kommt.
Alle diese Räume werden nun kostbarste Kunstwerke der goti-
schen Epoche beherbergen. Ein Verbindungsgang wird die Mino-
ritenkirche mit der Göttweigerhofkapelle verbinden, welche
knapp nach 130D erbaut wurde und das erlesenste an frühgo-
tischer Architektur darstellt. Von besonderer Kostbarkeit in dic-
ser Kapelle ist aber der Freskenzyklus aus dem Anfang des
14. Jahrhunderts, der Wände und Gewölbe der Kapelle, aber
auch des kleinen Oratoriums und eines Vorraumes überzieht.
Wenngleich vielfach eine starke Reduktion der Malsuhstanz ein-
getreten ist, so stellen diese Figuren mit ihrer sicheren Vor-
zeichnung das beste an gotischer Wandmalerei in Niederöster-
reich dar. Die Legende des hl. Mathias und ein Maricnleben mit
einem Thron Salomonis sind die Gegenstände, welche ein großer
Könner aus dem Kreise der Malsehule von Stift St. Florian hier
geschaffen hat.
Die Räume der Minoritenkirche und des Göttweigerhofes sind an
und für sich genug bedeutender Hintergrund für die Ausstel-
lung. Die Doppelstadt Krems und Stein hat aber mehr zu bieten,
ganz abgesehen von den schönen Plätzen und Straßen, in denen
sich das mittelalterliche Raumgefühl noch heute auswirkt. Der
Besucher wird an den gotischen Kirchen der Stadt Stein nicht
vorübergehen, er wird die Pfarrkirche, an der sich früheste
Werke des Donaustiles finden, besuchen, die Frauenkirche, in
der wertvolle Fresken aus dem 14. Jahrhundert entdeckt wurden
und viele Höfe des Mittelalters. Etwa den Hof der Eitzinger, der
Bankiers Friedrich III., einen Hof, dessen wertvolle Teile wie
Rauchküche mit gotischem Laubengang bei einem Neubau gc-
schont werden konnten.
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