der Kopf. Das jugendliche Antlitz mit seinem schmerzlichen
Ausdruck läßt ihn als den des Johannes einer Kreuzigungsgruppe
erkennen. Selten ist die Trauerydas Mitleiden, so unmißverständ-
lieh wiedergegeben worden wie hier. Der Kopf mit den halbge-
schlossenen Augen ist leicht gehoben, die Stirne gefurcht, der
Mund mit den schmalen Lippen zusnmmengepreßt. Von der
Weichheit des vorangegangenen Stiles mit seiner sanften Trauer,
die sich z. B. beim hl. johannes aus Großlohming kaum anders
als durch die Neigung des Kopfes, die hztlbgeschlossenen, zur
Seite bliCkenden Augen, leise und doch überzeugend äußert, ist
hier nichts zu merken.
Die Kopfbildung mit der schmalen Stirne, an die ein breiteres
Untergesieht anschließt, folgt nicht mehr dem gotischen Ideal-
bild mit dem nach unten leicht schmäler werdenden Gesicht,
sondern einem derberen, realistischen Typus. Hart sind die
Falten an Stirn und Augen eingegraben, die hochgchobcnen
Augenbrauen gehen in einen schmalen Nttsenrücken über, die
Linie Nase-Mund-Kinn ist scharf ausgeprägt. Die Haare, um
Stirn und Hinterkopf stark beschädigt, haben noch die übliche
Form der gedrehten, in einen Schnörkel endenden Locken, aber
ihre plastische Fülle ist aufgegeben, sie liegen, in Reihen geord-
net, eng um den Kopf. Hier hat ohne Zweifel der weiche,
leicht zu formende Ton es dem Künstler ermöglicht, trotz
aller Verhärtung jugendlichkeit und Grüße des Schmerzes zu
einer überzeugenden Einheit zu bringen.
Hl. johannt-ß Evangelist aus Grolllobmtnr jetzt im
Museum mittelalterlicher "stcrr. Kunst, als Beispiel
des „Wlcichcn Stiles" um 1415.
140,14 116.70; Älhvuhls 11.; BCMIWICVI, um Lluwgrxlwvwwrhxnrn
Pmnyxu.
Das gleiche Abrücken von der Sanftheit und Bewcgtheit der
vorangegangenen Kunst zeigt auch der Körper. Formelemente
des weichen Stiles sind beibehalten, doch spricht aus der Art
ihrer Anwendung derselbe Gestaltungswille, der dem Kopf seine
Eigenart aufdrückt. Schon der Johannes aus Großlobming hat im
Vergleich zu den „schönen Madonnen", zu denen auch die
Muttergottes mit dem Kind im Historischen Museum gehört,
gemäßigtere Formen. Körper und Gewand sind mehr aufein-
ander abgestimmt, die tief schattenden, bis zum Sockel reichen-
den Schüsselfalten umziehen, gemildert, nun die Hüftpartie;
der Körper ist schlanker geworden.
Auch beim Johannes der Dorotheerkirche sind noch Schüssel-
falten verwendet, aber ihre Bogen schwingen nicht mehr aus, sie
liegen enger aneinander und haben neben Bahnen mit abgerun-
deten Stegen solche mit scharf graligen. Sie sind weiter hinauf-
gerückt und helfen den schmalen Oberkörper - auch er eine
Übernahme aus der vorhergehenden Stilepoche - zu verlän-
gern und ihn zusammen mit dem Faltenfall an der linken Kör-
perseite in ein natürlicheres Verhältnis zum Unterkörper zu
bringen. Die Figur hat nun den Weichen Schwung aufgegeben,
sie besitzt eine Standfestigkeit, die neu in der Kunst des
15. jahrhunderts ist. Der Mantel, anfangs noch den Falten des
Kleides folgend, spannt sich nun über das Vorgesetzte rechte
Bein. Von diesem geht jene leichte, durch den Stand der Figur
neben dem Kreuz bedingte Schwingung aus, die an der Gegen-
seite von dem Faltengehiingc aufgenommen und zur linken
Schulter geführt wird.
„Der Protest gegen die schwellende Breite des weichen Stiles",
lür den der Johannes der Dorotheerkirche ein frühes Beispiel