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auf die menschlich-künstlerische Bedeutung ihrer Erzeugnisse,
vorherrschen lassen, so ergäbe sich eine Nivellierung, die in
der Langeweile des Mittelmaßes alles Interesse an der geschicht-
lichen Entwicklung erlahmen ließe. Man darf nie vergessen,
daß Museen erzieherische Aufgaben haben. Das Auge, das Se-
hen, vielleicht der menschlichstc Sinn, vermag am besten ein
Interesse zu erwecken. das dann weiterführt. Daher muß es in
Museen etwas Starkes, Lebendiges, Packendes zu fassen bekom-
men. Wer durch ein Museum geht, muß die Vergangenheit in-
teressant und der Erforschung wert finden.
Von diesen Überlegungen ist man heim Bau des neuen Heimes
für die Bestände des Wiener Stadtmuseums ausgegangen. Es
sollte ein modernes, ins Leben wirkendes Museum sein - und
daher mußte seine Grundaufstrllung ein Maß haben, das sie
innerhalb einiger Stunden faßbar machte. Der Leiter eines ver-
wandten, ja geradezu brüderlichen Instituts, des Historischen
Museums von Frankfurt a. M., hat neulich schöne Worte über
die Aufgabe einer solchen Grundaufstellung veröffentlicht:
„Eine ständige, für lange Zeit gültige Aufstellung sollte . . .
nur die Stücke auswählen, die Qualität haben, in die der Mensch,
der sie schuf, etwas von seinem Wesen und dem Wesen seiner
Zeit hineinlcgte, das aus ihnen heraus auf die Menschen jeder
Zeit wirken kann. Die in den Museen gezeigten Objekte sollen
nicht zu Illustrationsmitteln einer geschichtlichen Darstellung,
und dic Museen selbst nicht zu geschichtlichen Bilderbüchern
werden." Das ist auch die Antwort auf die oft auftauchende
Frage, ob nun Raum genug da sei, alles auszustellen. Nein, der
ist natürlich nicht da, aber das ist auch gut so. Denn historische
Museen haben eine zweifache Aufgabe, die eine, so viel als
möglich von den historischen Denkmälern zu bewahren und in
Depoträumen, gut gepflegt, zu schützen, und die zweite, pri-
märe, die Hans Botls soeben zitierten Sätze umreißen. Zu der
ersten Aufgabe, der Bewahrung historisch bedeutsamer Objekte,
gehört auch die Veranstaltung von Sonderausstellungen mit den
verschiedenartigsten Themen, in denen dann nicht dauernd aus-
gestellte Objekte innerhalb eines sinnvollen Zusammenhangs
für einige Monate Platz finden können und müssen. Und ebenso
gehört zu dieser Aufgabe, so weit cs sich um Werke der Gra-
phik und der Photographie handelt, deren geordnete Aufstellung
und deren Bereitstellung für die Wissenschaft und für jenes
Publikum, das nicht nur aus Scbaulust, sondern aus Wissens-
durst und Bildungsdrang weiter forschen will, als es ihm die
Daueraufstellung erlaubt.
Das Museumsgebäude weist eine klare Einteilung auf. Von seiner
Eingangshalle aus geht man rechts in die Grundaufstellung, ge-
radeaus in die Sonderausstellung und ganz links über eine
Stiege in die Graphik- und Pbotographiensammlung im ersten
Stock. Von diesen Teilen ganz abgetrennt liegt gegen die Made-r-
straße der gesamte Verwaltungstrakt mit der Direktion und
darüber, mit gutem Licht, die Restaurierwerkstätte für Bilder.
Im Keller befinden sich die übrigen Restaurierwerkstiitten und
die Depots, unter ihnen das für die vor- und frühgeschichtlichen
Objekte, das zugleich ein Arbeitsraum ist, wie übrigens auch
ein zweites großes Depot mit kleinen und kleinsten Sammlungs-
gegenständen, die so nicht zur Arbeit weggebracht zu werden
brauchen. Das ganze Haus ist vollklimatisicrt, auch der Keller.
Besonders wichtig war es bei einem Historischen Museum, einen
eindeutigen Gang durch die Geschichte zu ermöglichen. Bei all
den Prunkbauten mit zentralen Stiegenanlagen bedeutet es heute
eine große Schwierigkeit, Sammlungen historisch aufzustellen
und dem Publikum den Weg dazu auf einfache Art zu weisen.
Die Verlegung der Hauptstiege in einen in den Hof hinaus ge-
rückten Anbau und die Teilung der Ausstellungshallen aller
Stockwerke durch eine Mittelwand hat es ermöglicht, mit
nur wenigen Hinweisen diesen Gang durch die Geschichte
festzulegen.
Es muß zum Abschluß gesagt werden, daß die kurze Vorberei-
tungszeit vor der Eröffnung und der Umstand, daß es unmög-
lich war, in zehn Jahren den Restaurierungsrückstand vieler
Jahrzehnte nachzuholen, für den Direktor des Museums und
seine Mitarbeiter das (Jefühl erzeugt, es würde mitten in ihrer
Aufstellungsarbeit das Haus noch unvollendet eröffnet, ein Ein-
druck, den hoffentlich der Besucher dennoch nicht haben wird.
Aber was ist schon vollendet? Und müssen wir nicht auf jeden
Fall weiterarbeiten und alles besser machen, neue Erkenntnisse
gewinnen und wiederhergestellte, Objekte hinzufügen? Werden
das die Generationen nach uns nicht weiter und immer weiter
so halten?