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erscheint umso großartiger, wenn es sich im vollsten Gegensatz als zerklüftete Gesteinsmasse
aus dem altstämmigen Alpenwalde des Thalgrundes erhebt; geradezu bezaubernd schön
wird aber der Anblick, wenn von den Strahlen der untergehenden Sonne getroffen die
unersteiglich scheinenden Felsenmassive mit ihren schneeersüllten Geröllrinnen in Purpur
erglühen, während schon tiefe Schatten über das Thal sich hingelagert haben.
Wie nun der an der Wasserscheide zwischen Save und Drau bei Weißenfels
(Ratschachsattel) beginnende Alpenzug der Karavanken ostwärts sich erstreckt, in der
Gruppe des Stol mit 2.239 Meter seine höchste Erhebung und im gewaltigen Massive
des Petzengebirges bei Bleiburg seinen Abschluß findet, so bauen sich im südöstlichen
Theile des Landes mit den Karavanken durch die 1.218 Meter hohe Einsattlung des
Seeberges zusammenhängend die Sannthaler (Steiner) Alpen auf, die in ihrer Groß
artigkeit alle Gebirgszüge Unterkärntens übertreffen und im Grintouz (Grintovc) eine
Erhebung von 2.559 Meter erreichen. Es gehören jedoch dem Lande Kärnten nur die
nördlichen Abfälle des im kärntnischen Seeländer-, beziehungsweise krainischen Kankerthale
beginnenden und mit imposanten Steilwänden dort aufragenden südlichen Hauptzuges
dieses Alpengebietes, sowie eines von der Spitze der Skuta nordöstlich abzweigenden
und mit dem 1.696 Meter hohen Ursulaberge im Thale der Meß abschließenden
Nordarmes an.
Der Gegensatz dieser beiden Hauptgebirgszüge in ihren Formen und Farbentönen
verleiht dem Lande jene ganz eigenthümliche landschaftliche Schönheit, die vom Lieblichen
und Reizvollen alle Abstufungen des reichsten Wechsels bis zu der kühnen Absonderung
einsamer Hochgebirgsgipfel und geröllerfüllter Felsenwildnisse zeigt.
Alle von Süden her der Drau zueilenden Gewässer sind echt ungeberdige Kinder der
Alpen; trotz ihrer kleinen Quellengebiete wirken sie sehr verheerend, wovon die ungeheueren
Massen von Schutt, welche ihren untersten Lauf begleiten, beredtes Zeugniß geben. Sie
entspringen als kräftige Gewässer den oberen Thalgründen, denn das Hochgebirge selbst
besitzt keine dauernden Wasserlüufe. Auffallenderweise erscheint jedes der wenigen Quer-
thäler der Karavanken in seinen landschaftlichen Scenerien verschieden. Während das bei
Feistritz ausmündende Bärenthal sich als eine Schlucht gestaltet, welche durch das groß
artige Massiv des Stol außerordentlich wildromantisch abgeschlossen erscheint, zeigen das
Loiblthal und sein Seitenthal, das Bodenthal, mildere Formen und muß insbesondere
das letztere wegen seiner malerischen Schönheit hervorgehoben werden. Es ist ein flacher,
im Mittel 1.000 Meter hoher, mit üppigen Wiesen bedeckter Thalgrund, dessen Seiten
lehnen allmälig zur kahlen Felsenmauer der 2.186 Meter hohen Vertaza als südlichem
Thalabschluß emporsteigen. Die riesigen Schutthalden derselben vermögen, durch einen
mächtigen Schutzwald aufgehalten, die Culturen des Thales nicht zu erreichen.
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Das zwischen dem Großen Gerloutz- und Singerberge schluchtartig beginnende Lvibl-
thal nimmt jenseits des kleinen Loibl dort, wo die Gewässer des Bodenthales durch eine
zugänglich gemachte großartige Klamm bei der Teufelsbrücke in drei Absätzen zum Loibler-
bach abstürzen, ebenfalls einen milderen, durch herrliche Laubwälder und üppige Berg-
und Alpenwiesen ausgezeichneten Charakter an. Es ist von jener einst wichtigen Straße
durchzogen, welche in vielen Windungen mit herrlichen Aussichtspunkten über die tiefste
Einsattlung des Karavanken-Gebirgszuges über den 1.370 Meter hohen Loiblpaß ins
Das Bodenthal mit der Vertaza.
Krainerland führt. Unterhalb von Ferlach mündet das Zellthal, dessen beide Ursprungs-
thäler „Zell im Winkel" und „Zell bei der Pfarr" ihre Gewässer durch den romantischen
Waidischgraben der Drau zuführen, während die Gewässer des östlich davon liegenden
Gebirgsthales durch den tiefeingeschnittenen Freibachgrabeu sich schäumend ins Drauthal
als Freibach hinauswälzen. Ein Thal ganz eigenthiimlich schöner Art und in zahlreiche
Seitengräben verzweigt ist das Vellacher oder Kappler Thal. Dasselbe beginnt am Haupt
kamm der Sannthaler Alpen mit dem überaus großartigen Felsenkessel der Vellacher
Kotschna (Kocna), während es mit seinem mittleren und unteren Laufe vom Bade Vellach
abwärts zahlreiche Wässer der Karavanken aufnimmt. Im unteren Lause trennt das
Kärnten und Krain.
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