ungeeignet, um das Zentrum seiner Kunst zu ermitteln. Dieses
Zentrum heißt: Besinnung auf dar Volumen, Bekenntnis zur
Masse. Damit ist die Plattform umschrieben, die Hoflehners
Eisenplastik, soweit ich sehe, heute mit niemandem teilt, damit
ist der Beitrag genannt, den seine Arbeiten der letzten jahre
zum Bewußtseinsprozeß der Eisenplastik geleistet haben. ln_
entschlossenem Zugriff hat Hoflehner dem Eisen das Gewicht
des Blocks, die Dichte undurchdringlicher Körperlichkeit gege-
ben. Darin sehe ich einen bedeutsamen Terraingewinn. Daraus
wird, in unausbleiblicher Folgerichtigkeit, eine neue, strenge
und monumentale Phase der Eisenplastik hervorgehen.
Vorläufig liegen Ansätze vor, aber diese Ansätze haben das
Gewicht, das jeder archaischen Formstufe eignet und mit dem
sie sich, wortkarg und kompromißlos, den Durchstoß zur reifen
Artikulation erzwingt: das Gewicht des Lapidar-Einfachen, der
hermetischen Konzentration und des Definitiven. Das sind die
Wesenszüge der letzten Arbeiten. Sie besitzen durchwegs block-
hafte Körperlichkeit, doch weisen nicht alle mit derselben Ein_
dringlichkeit in die Zukunft. Die Entscheidung für das Volumen
(und der Verzicht auf Scheiben, Platten, Stangen, Drähte und
Stäbe) gibt dem Künstler ein neues Problem auf: die Bewälti-
gung der Mehransichtigkeit. Arbeiten wie die „Figur 4" (1957)
drängen den Betrachter noch ins frontale Gegenüber, sie besitzen
eine deutlich akzentuierte Hauptansicht. In den letzten Arbeiten
hat Hoflehner Vorder- und Rückansicht so gestaltet, daß der
Betrachter erst nach der Verschmelzung beider zu einem
gemeinsamen Vorstcllungsbild das Insgesamt, die plastische To-
talität der Figur erfaßt. Das bedeutet: Zwang zum Umschreiten,
also Verräumlichung des Blocks. („Figur 8", 1958, „Figur 14 K",
1959.) In letzter Konsequenz wird der Block der allseitigen Be-
trachtung dargeboten („Figur 19 K", 1959). Ich erblicke in
dieser Figur einen glücklichen Wurf, der nähere Betrachtung
verdient. Die aufeinandergetiirmten zylindrischen Fragmente
und die kantigen Formelemente gehören verschiedenen Zonen
des Umraumes an. Sie fordern den Betrachter zum Umschreiten,
auf, denn nur aus der Sukzession aller Ansichten kommt das
Erfassen des gesamten Gebildes zustande. Die vertikale, tekto-
nische Schichtung verbindet sich sehr schön mit der rotierenden
Bewegung der Elemente, die ein horizontales Spannungsfeld er-
zeugt. (Technikeraugen werden sich an Kurbelwellen erinnert
fühlen.) Obwohl also die Form auf ihrem ganzen Radius zur
Geltung kommt und es keine „leere" Stelle gibt und obwohl die
einzelnen Glieder eine virtuelle, kreisende Formbewegung in
sich tragen, ist die blockhafte Gesamtwirkung in keiner Weise
geschwächt oder durch den Eingriff des Raumes beunruhigt.
Körper und Raum, Masse und Bewegung, Senkrechte und Waag-
rechte stehen in einem geheimnisvoll ausgeglichenen Verhältnis
zueinander. Der anschauliche Beweis ist erbracht, daß das Vo-
lumen verräumlicht werden kann, ohne darum notwendig seine
Dichte einzubüßen. Diese Dichte _ d. h. die intensiv gemachte
Körpermasse - ist dem augenblicklichen Ausdrueksbedürfnis
Hoflehners ebenso unentbehrlich wie die vertikale Gliederung.
Aus beiden Bereichen empfangen seine Arbeiten ihren Symbol-
gehalt: die Vitalität unverrückbaren Da-Seins und die archa-
ische Straffung. Diese verschlossene Formenwelt nähert sich dem
Punkt, an dem die physische Kraft sich mit dem Geist nicht
mehr auseinandersetzt, sondern verbündet, mit ihm in Deckung
gerät. Derartiges ist, selbst im Ansatz, heutzutage nicht allzu
häufig.
Rudolf Hoflehner,
„Figur 8", 1958. Eisen, massiv. Höhe: 1,87 m.