DER ZEICHNER FRITZ VON HERZMANOVSKY-ORLANDO
Von JORG MAUTHE
Kürzlich ist in der Wiener Galerie Würthle das bisher nahezu
unbekannte graphische Oeuvre des kürzlich verstorbenen Fritz
von Herzmanovsky-Orlando ausgestellt gewesen. Diese Ausstel-
lung war eine Sensation, aber es wurde nicht bemerkt, daß sie
eine war; denn die Wiener Kunstkritik, seit einiger Zeit v0m'
Non-Objektivismus hypnotisiert wie ein Kaninchen von der
Schlange, versagte angesichts dieser von Gegens lndliehkcilen
randvoll angefülltcn Bilden-Welt nahezu vollständig; mit Aus-
nahme eines einzigen Kritikers glich sie einem Kind, das Edel-
steine für Glasperlen hielt. In München wird das anders sein,
falls die Herzmanovsky-Blätter dorthin kommen; aber e. ist ja.
auch ein Münchner Verlag und ein Münchner Theater gewe-
sen, die dem literarischen Werk dieses nicht nur bedeutenden.
sondern geradezu exemplarischen Österreichers zum endlichen
Ruhm verholfen haben.
Die Wiener Kritik, die sich nach wenig erlauchten Pariser Mu-
ster bereits daran gewöhnt hat, selbst erste Malversuche S ib-
zehnjähriger am Wohl und Wehe des Abendlandes zu messen,
hätte es, beispielsweise, schon als Sensation werten müssen, daß
hier plötzlich ein ebenso umfangreiches, wie in sich geschlosse-
nes und nunmehr als ein halbes Jahrhundert durchkreuzendes
graphisches Lebenswerk aus dem Unbekannten aufgetaucht war
- aus dem Unbekannten zwar, wohl aber von einem Manne
stammend, der als Literat immerhin so bekannt geworden ist,
daß auch seine bildnerischen Mühen eingehendere Beachtung
verdienten. Dergleichen passiert ja schließlich nicht alle Tage.
(Die Bcsuchs- und Verkaufsziffern der Galerie lassen die tröst-
liche Vermutung zu, duß das kleine Wiener Ausstellungspubli-
kum nicht ebenso versagt hat).
Ferner wäre mit geringer Mühe zu bemerken gewesen, daß die-
ses ausgebreitete Oeuvre stilistisch und erst recht inhaltlich von
durchaus unverwechselbarer Eigenart und Eigenartigkeit war.
Formal ist für die Herzmunovsky-Zeichnung die Roeaille cha-
rakteristisch, dieses so zufällige wie komplizierte, so sinnliche
wie abstrakte, so verspielte wie künstliche Ornament, das den
Geist dieser Blätter vollkommen entspricht (als hätte das öster-
reichische Rokoko nun endlich doch stattfinden müssen). Und
was die Thematik des Zeichners betrifft, so ist sie zwar unüber-
sehbar, denn sie reicht vom puren Erotikon bis zur Groteske,
vom concettistischen Sinnbild bis zur Karrikatur und vom amü-
santen Zeiehenwitz bis zum ernsthaften Versuch, aus in sich
widersprüchlichen Details ein beziehungsreiehes Neu-Bild zu
schaffen - und oft genug hat Herzmanovsky sich wie in seinen
Romanen bemüht, alle diese Themen und Motive auf einmal un-
terzubringen. Gleichwohl ist das figurale Ensemble dieses
K. u. K. Commedia deIFArIe-Rokokos ziemlich beschränkt: der
hagcre, mikrozephrile Beamte, der gra öse Androgyn, der man-
nigfnch verkleidete Arlecchino, monströse Zwerge und üppige
Fritz v. Herzmanovsky-Orlando, Byzanz l.
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