Krislian Sotriffcr.
Herbstlnndschai
, Aquarell.
1958.
UNSER AUSSTELLUNGSBERICHT:
Die Albertina und die Kunst des 20. Jahrhunderts
ZUR ALSSTELLLNG NEEERWERBLTNUEN MODERNER
MEISTER, 1950-1959
Egon Schiclu, Gerda, die Schwester des Künstlers,
Bleistift.
Wie allgemein bekannt, steht Wien am Vorabend der Gründung eines
Museums internationaler ' itgenössischer Kunst, das im ehemaligen
Österreich-Pavillon der Brüsseler EXPO 1953 untergebracht werden
soll. S0 notwendig und wünschenswert diese Maßnahme ist, so sehr es
ihre Aufgabe sein muß, jahrzehntealte Lücken in der Sammlertatigkeit
der öffentlichen Hand zu schließen, so stark ist das neue Museum durch
die Tatsache gehandicapt, daß es heute wohl gänzlich unmöglich ist,
Werke der großen Meister der Moderne im Range wirklich muscums-
würdiger Qualitäten zu erschwinglichen, volkswirtschaftlich verantwort-
baren Preisen zu erstehen. So ist es denn mehr als fraglich, oh und in
welchem Grad es gelingen wird, etwa Picasso, Braquc, Gris, aber auch
Kandinsky, Klee oder Marc mit Hauptwerken in das neue Haus zu
bringen. ist das neue Museum also mit der Hypothek schuldhafter
oder zeitbedingter Fahrlässigkeit schwer belastet, wird seiner Tzit 'it
ein Stil auferlegt werden, der zwangsläufig den Charakter einer
situationshedingten Notlösung tragen mufi. Mit der größten Genug-
tuung kann jedoch darauf hingewiesen werden, daß auf dem Sammel-
gebiet der Graphik unserer Heimat mit der Albertina ein Institut gege-
hen ist, hei dem von einer Lückenhaftigkeit der Bestände moderner
Kunst nicht im geringsten gesprochen werden kann. Der derzeitige
Direktor der Staatlichen graphischen Sammlung, Dr. Otto Benesch, hat
es als universeller Kenner alter und neuer Kunst verstanden, die Be-
stände trotz denkbar bescheidener Buclgetmitleln in beiden Richtungen.
in der historischen wie in der zeitgenössischen, meisterlich zu mehren.
und in diesem Sinn kann die Herbstaussteilung 1959 tatsächlich als
Rechenschaftsbericht angesehen werden, der seinesgleichen sucht. Frei-
lich hatte Univ.-Prof. Dr. Benesch das Glück, auf einem wahrhaft
soliden Fundament weiterhauen zu dürfen. Scinc Amtsvorgänger und
die Leiter des Kupferstiehkabinetts der Hofbihliothek waren als Wis-
senschztftcr von hohem Rang verantwortungshewußt genug, sich wäh-
rend der Zeit eines halhen jahrhunderts Chancen nicht entgehen zu
lassen, die andernorts nicht wahrgenommen wurden. Wer aber weiß,
wie schwer es ist, eine echte Tradition lebendig weiterzuführen, wer
sieh der Erkenntnis nicht verschließt, dafi nicht die Funktion, sondern
die Persönlichkeit allein Stil und Wert einer Sammlung bestimmt, wird
gerade am Beispiel der zur Diskussion stehenden Ausstellung die Be-
deutung der Ära Benesch zu würdigen verstehen.
Sclhstv ändlich mußte es das erste und wesentlichste Anliegen der
Alhertina sein. die moderne Kunst Österreichs in sammlerischer Hin-
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