MAK

Volltext: Alte und Moderne Kunst IV (1959 / Heft 12)

WOHIN 
GEHT 
DIE 
RELIGIÖSE 
KUNST? 
GEDANKEN ZUR 
lV. 
IN? 
ZRNAZIONAL] 
D'AR'I 
SACRA" 
IN NOVARA 
V0 
)RG LAMPE 
Die „Ars sacra"-Ausstellung des Vorjahres in Löwen löste Ge- 
danken aus; die Salzburger Biennale christlicher Kunst 1958 
rief schwerwiegende Bedenken wach, und die „lV. Internazio- 
nale d'Arte Saera" in Novara führt zu einem ähnlichen Ergeb- 
nis. Nur treten dort die Probleme und bis zu einem gewissen 
Grade auch schon die Entscheidungen offener zutage, weil die 
Auswahl lockerer und die Vorstellung von dem, worauf es an- 
kommt, unpräziser ist. Novara giht daher mit seinem Kuntera 
bunt das ganze Panorama frei, und man wird gezwungen, sich 
selbst den Weg zu suchen. Ob der nachstehend entwickelte der 
rechte ist, bleibe dahingestellt. Viele nicht unwesentliche Zei- 
chen jedoch deuten darauf hin, daß er zumindest kein atls- 
gesprochener Irrweg ist. 
Novara lehrt zunächst einmal, daß bei gut 9Stwiger italienischer 
Beteiligung und einer Verteilung der restlichen Prozente der 
rund 400 Arbeiten auf Frankreich, Deutschland (nur Architek- 
turphotos) und Österreich (Architekt Prof. Robert Kramreiter 
und Malerin Marianne Figlhuber-Gutscher) die Internationalität 
der Schau vielleicht doch ein wenig zu kurz kam. Doch hat 
wenigstens Frankreich Wichtiges beigetragen, wenn auch die 
wesentlichsten Arbeiten aus Italien stammen. Das nur vorweg 
und nebenbei. 
Die Hauptlehre Novaras ist die, daß man sowohl auf den Unter? 
schied zwischen christlicher Thematik und Motivik als auch 
auf den Zusammenhang zwischen Motivik und Stil- oder Form- 
gebarungsweise zu achten hat. Wie es nämlich in Novara und 
im Vorjahr auch in Salzburg durchcinandergeht, hat weniger 
mit Mannigfaltigkeit und Reichtum als mit Ahnungslosigkeit 
zu tun. Die feinen Unterschiede zwischen religiöser, christlicher, 
sakraler und kirchlicher Kunst mögen hier unbeachtet bleiben. 
Es genügt, daß nach dem allgemeinen Denkgebrauch christlich- 
religiöse Kunst eine solche ist, in der die christliche Religion 
an sich das Thema und das Motiv stellt. Daß dieser Denk- 
gebrauch nicht ausreicht, weil man auch die Behandlung pro- 
faner Themen und Motive durch einen zutiefst christlich-reli- 
giösen Menschen als christlich-religiöse Kunst bezeichnen 
könnte, sei nur erwähnt, ahcr außer acht gelassen, weil an 
Verwirrung ohnedies bereits kein Mangel ist. 
Im allgemeinen nun werden christlich-religiöse Thematik und 
Motivik als fixe geistige Sachverhalte angenommen und fast 
einander gleichgesetzt. Nach dieser Annahme also erschöpft sich 
schon fast seit der Romanik die christliche Kunstthematik in 
den Motiven aus der Heils- und Heiligengeschichte oder aus der 
einschlägigen Symbolik. Dieser Motivkreis aber ist, wenn man 
die Symbolik ausschließt, vorwiegend literarischer Natur. Er 
setzt sich aus Legenden, die es zu erzählen, und aus „Ideen", 
die es zu belegen gilt, zusammen. Zu solcher Motivik gehört 
daher eine in erster Linie darstellende, also auf die Wiedergabe 
von optisch Erfahrenem oder Vorgestelltem abgestimmte For- 
mungsweisc, wie sie von der Gotik bis in die zweite Hälfte des 
19. Jahrhunderts reicht. In Gotik, Renaissance und Barock wie- 
der als den im Religiösen ergiebigsten Stilepochen gedeiht die 
entsprechend reichste Form, während die des 19. jahrhunderts 
nur noch ein bloßer Abglanz davon ist und die des 20. über- 
haupt so gut wie außer Diskussion steht. 
Seit dem Impressionismus nämlich und crst recht nach ihm 
ist es mit der darstellenden oder auch verklärcnden Wiedergabe 
von Erscheinungswelt als künstlerischer Aufgabenstellung so 
Francesco Somaini, „Kreuz". Bronze. 
Hier kann man sich zumindest vorstellen, daß Matcrialfragmente 
oder -trümmer (Schrapnelb, Granalspilter) von sich aus ein Kreuz 
gebildet hätten. Man sich! sich also einem Ergebnis gegenüber, 
das einem bildncrischen Vorgang entsprungen wirkt. bei dem die 
Materie sozusagen von sich aus das Wort ergriff.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.