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Volltext: Alte und Moderne Kunst IV (1959 / Heft 5)

machte sich eine deutliche Empfindlichkeit für das Wachstums- 
halte und für die gleichsam sanften Übergänge und Nuancice 
rungen des sich Bildens und Vcrwandelns bemerkbar. 
Erst recht braucht man sich nur die letzten Figuren in Stein 
und Bronze anzuschauen, um zu erkennen, mit welcher Suh- 
tilität Wotruba heute der ganzen Skala der Möglichkeiten in 
der Formbildung und in der Flächenbelebung gegenübersteht 
und sich dieser Möglichkeiten zu bedienen weiß. Das aber nicht 
etwa bloß um irgendwelcher äußerer ästhetischer Reize und 
Effekte willen, sondern einzig und allein, um das, was seine 
Figuren an Menschenbild und Sehieksalhaftigkeit zu sagen ha- 
ben, zu größtmögliehem Reichtum zu entwickeln. Da ist kein 
Trotz mehr, auch keine Gewaltsamkeit, aber auch nichts, was 
nur im Arteliziellen, in der künstlerischen Machart begründet 
läge, sondern wenn je und irgendwo, so geht es hier um leben- 
dige Gestalt als Gleichnis, eben als Menschenbild und damit 
als ein Zeichen, das Haltung im Sinne von schicksalswilliger 
Bereitschaft zum Leben strahlt und anträgt. 
Daß viele diese Zeichen nicht verstehen, weil sie die gespiegelte 
und ins Ideale erhobene fertige Natur vermissen, ist unvermeid- 
lich. Zeichen aber sind nun einmal nicht mehr gespiegelte oder 
idealisierte äußere Erscheinung, sondern verhüllte Boten aus 
dem Geheimnis des Wirklichen, wie auch das Menschenbild 
erst dann wieder bedeutend und gleichsam leitbiltlfähig _wird 
und werden kann, wenn es aus einer neuen, weil nicht mehr 
mythischen oder mythologischen, sondern im Gestaltwerden 
schlechthin wurzelnden „Archaik" wächst, wie das bei Wotru- 
ba der Fall ist. 
VON DER SCHWERE DES 
ZU VIER BILDERN RUDOLF HAUSNERS 
DASEINS 
V0 
JOHANN Musc 
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In den Jahren 1945 bis 1948 hat der 1914 in Wien geborene 
Maler Rudolf Hausner den Stil entwickelt, welcher sein Schnlfen 
noch heute kennzeichnet. Eine Tendenz zu „enzyklopädischt-r" 
Malweise begann, ein phantastischer Realismus. Altmeisterlichc 
Lasurentechnik verband sich mit impressionistischer Polychro- 
mie, expressionistischer Formverzerrung, kubistischer Raum- 
vorstellung und assoziativen Prinzipien der Surrealisten in 
eigentümlicher Weise; die Präzision der Geometrisch-Abstrak- 
ten in der Komposition kam hinzu. 
Seltsame, emplindungsschwere. grüblerische Bilder entstanden. 
Aus der Wüstenlandschalt von „Ich hin Es", 1948, blickt ein 
Wesen, das seinen Schwerpunkt in kindhalten Dingen (welche 
durch Spielzeug symbolisiert sind, das I-lausner hinzumalte) 
und animalisch-körperlichen Umständen hat, durch ein aulgea 
rissenes Firmament lorschend hinaus in eine unbekannte dunkle 
Welt. Das Wesen liegt schwerlällig da. Es dehnt sich mit äußer- 
ster Gewalt und mühsam. Es will sich erheben. Ich bin „Es". 
Zuviel Animalisches, Lastendes, Dunkles ist in mir. „Aus Es 
(dem Triebbcstimmten), soll Ich (Vernunftbeherrschtes) wer- 
den", sagt Freud. Nicht zufällig klingt der Titel des Bildes 
an diese Formulierung an. 
Von Erkennlnisdrang ist das Wesen besessen. Schulbildung wird 
skeptisch zitiert. In einer imaginären Raumlorm, die wie bei 
den Kubisten umschlägt, finden sich Fürwörter- und Zahlen- 
reihen. Der Wecker ruft zur Einhaltung des Stundenplans. Der 
Schüler bläst intellektuelle Seifenblasen. Die eigentliche Er! 
kenntnis ist erst noch zu gewinnen: der Blick hinter die Ku- 
lissen der Welt auf das Bewegende, das alles treibt, den Gang 
der Weltenkörper am Firmament, den Gang des Lebens auf 
der Erde. 
Etwas Solides, Präzises kennzeichnet Hausners Vortragswcise, 
und Gedankliehes wird unmittelbar malerische Form. Das Ocker- 
Violett der Grundstimmung hat Ernst, die Akkuratesse der l'or- 
malen Durchführung Gewissen. Das Kompositionclle spielt mit. 
Nicht allein die Figur will sich erheben. Die Vertikalen, im 
Rudolf Hausner: Adam nach dem Sündenfall, 1958. Öl und 'l'entpcra 
auf Holz (84 m X 52 cm). 
Bundesmlnlxterlum für linterrlcht 
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