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Volltext: Alte und Moderne Kunst IV (1959 / Heft 7 und 8)

 
Die Gemme en face mit der Darstellung einer Szene aus dem Dionysos- 
mythos. Von rechts nach links: Ariadne, Pan, Ampelos, Silen und 
Dionysos (Bacchus). 
eine Plakette unseres Typus in Verwahrung! Donatello verwen- 
dete das gleiche Motiv für ein Marmormedaillon im Palazzo Me- 
dici-Riccardi zu Florenz." 
Prinzipiell ist über die Herstellung von Gemmen und Kameen zu 
sagen, daß die ersteren vertieft in den Stein hineingeschnitten 
wurden, - daher intaglios genannt - oder oft als Negative von 
Kameen hergestellt und dann nur nachgeschliffen wurden. Dies 
gilt natürlich besonders für Gemmen aus Glaspaste, die man seit 
dem S. jh. v. Ch. erzeugen konnte. Die Themen, Kompositionen 
und Stellungen der einzelnen Darstellungen wurden auch bei der 
Glyptik (Steinschneidekunst) den Skizzenbüchern entnommen, 
die dem antiken Künstler überall zur Verfügung standen. Dar- 
aus erklärt sich das Vorhandensein thematisch fast vollkommen 
gleicher Darstellungen in den verschiedensten Techniken (z. B. 
Malerei, Relief, Mosaik, Glas oder Ton), wenn auch unterschied- 
licher Qualität, in den entferntesten Provinzen des römischen 
Reiches. 
Kameen, die erhaben aus vielschichtigen Halbedelstcinen, wie 
Onyx, Achat, Chalcedon, jasper, Sardonyx usw. herausgearbei- 
tet wurden, gehören seit der kretisch-mykenischen Periode zum 
Repertoir der antiken Kleinkunst, die in der Renaissance eine 
neue Blüte erlebte. Nach Furtwängler war Griechenland, beson- 
ders aber Kleinasien, die Heimat der berühmtesten Steinschnei- 
der, von denen uns einige Namen literarisch, aber auch durch 
ihre signierten Werke überliefert sind? 
Man neigte bisher dazu, Gemmen und Kameen unseres Typus in 
frührömische Zeit zu datieren. Nun scheint sich ein An- 
haltspunkt für eine Neudatierung durch eingehende Berücksich- 
tigung der Komposition als solcher, und durch den Vergleich 
von Darstellungen des gleichen mythologischen Themas auf an- 
deren Kunstwerken zu bieten. In Mode kam die unserer Dar- 
stellung zu Grunde liegende Fassung der Ariadnemythos in der 
alexandrinischen Dichtkunst des 3. jahrhunderts v. Ch., zu einer 
Zeit, in der die ersten romanartigen Erzählungen entstanden. 
Auf unteritalischen Vasen hellenistischer Zeit finden sich in- 
teressante Szenen aus verschiedenen Satyrspielen, unter den Bil- 
dern auch solche, die Dionysos und Ariadne im Thiasos (Fest- 
zug) oder die verlassene Ariadne, um Strand schlafend, schil- 
dernß Aus dem gleichen Jahrhundert besitzen wir auch die nach- 
weisbar älteste plastische Darstellung der Auffindungsszene mit 
fünf Figuren. Sie findet sich auf einem etruskisehen Terracot- 
tafries aus Civita Alba (jetzt im Museo Civico, Bologna}? 
deren ursprünglich religiöser Charakter in hellenistischer Zeit 
derben Komödien und Späßen Platz gemacht hatte. Zu dieser 
Zeit wurde auch der Schauplatz der Festspiele vom Tempel des 
Dionysos in die Theater (Theater des Dionysos in Athen 
z. B.) verlegt. Ein interessantes Detail sei hier erlaubt zu erwäh- 
nen: Die Lehne des Sessels auf unserer Gemme entspricht der 
eines noch erhaltenen Priestersessels aus dem Athener Dionysos- 
theaters und ihr Typus wird, der geschwungenen Form der 
Lehne wegen, als östlich bezeichnet, 2 
Dionysos hält in seiner Linken eine Fakel und eine Schlange 
in der Rechten (beides ihm zugeordnete Symbole). Dies ist ein 
wichtiges Detail, das uns bei der Suche nach überlieferten Bei- 
spielen geholfen hat. Zunächst stellte es sich heraus, daß die 
Literatur nur ein einziges, vollkommen gleiches Stück, und zwar 
einen roten jasper aus dem Besitz der Könige von Frankreich 
verzeichnetß 
Der ungefähr zur gleichen Zeit veröffentlichte Chalcedon der 
Sammlung Medici weist einige kleine Abänderungen in der Dar- 
stellung der einzelnen Figuren auf. So fehlt der Helm zu Füßen 
der Ariadne, die Figuren erscheinen näher einander gerückt, die 
Hörner des Pan mißverstanden wiedergegeben, Ampelos ist ohne 
Lendenschurz und Dionysos hält den Thyrsos, seinem von einem 
Pinienzapfen gekrönten Stab, an Stelle der Fakel. Das letztere 
Detail erlaubt es uns, anzunehmen, daß es sich nicht um eine un- 
sorgfältige Wiedergabe, sondern um einen weiteren Typus der 
Darstellung handelt. 
Eine dritte, - antike - Auffassung der gleichen Szene begeg- 
net uns in einem Kameo des Herzogs von Gonzaga, nun im Be- 
sitz des Lord Yarborough, Brooklesby Park, England} 
Hier trägt Dionysos einen langen Schleier über seinem Haupt 
und in seiner Rechten wiederum den Thyrsos. Der Helm des 
Theseus fehlt, sonst ähneln die Bewegungen der Figuren, die 
schlanker und weniger muskulös erscheinen als auf dem Pariser, 
dem Mediceischen und dem Wiener Exemplar, letzterem. 
Reizvoll ist das Vorhandensein einer Renaissanceplakette aus 
dem 15. jahrhundert, die nach anscheinend diesem, dem Gon- 
zaga Kameo, angefertigt wurde. (35 X 25 X 27 mm, ein Recht- 
eck mit abgerundeten Ecken, aus Bronze mit lichtbrauner Pa- 
tina). Das Kunsthistorische Museum in Wien, und, bis zum 
Kriege, auch das Kaiser FriedrielvMuseum in Berlin hatten je 
 
Ein Gipsabgui! des Originals, der das Figurcnbild als Positiv wiedergibt. 
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