DIE MEISTER DER DONAUSCHULE IN NIEDERÖSTERREICH
Von
FRI
FZ DWORSCHAK
Als Hermann Voss vor mehr als fünfzig Jahren in seinem
Buche „Der Ursprung des Donaustiles" erstmals über den Gegen-
stand zusammenfassend berichtete, konnte man nicht ahnen, wie
rasch und dicht sich der gezogene Rahmen mit Vorstellungen
von Kunst und Künstlern der behandelten Epoche füllen würdeß
Zunächst wohl langsamer; nach dem Ende des ersten Weltkrie-
ges aber erschienen immer schneller hintereinander zahlreiche
Veröffentlichungen in Österreich und Deutschland, die stets neue
Beiträge zum Problem der „l)onauschule", wie man später den
„Stil" benannte, brachten. Inzwischen hatte man auch die Skulp-
turen in den Kreis der Betrachtung einbezogen, und als „donau-
liindisch" bezeichnet man nunmehr die Arbeiten, deren Entste-
hungsort mangels urkundlicher Sicherung noch unbestimmt
1 bleibt, wenn sie nur zeitlich und stilistisch in diese späteste Phase
der Gotik hineinreichen. So ergab sich allmählich ein Bestand
von Kunstwerken, vorwiegend von Tafelbildern, dessen zeitli-
cher Umfang von den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts bis
etwa 1530 reicht, dessen räumliche Begrenzung im Donautale
durch die Städte Regensburg und Wien gegeben ist. Freilich, die
uberdeutsehcn Wurzeln dieses Stiles reichen in jeder Hinsicht
weiter zurück. Auch der Niederländer Rogier van der XVeyden,
der Elsässer Martin Schongauer, vor allem dessen Holzschnitte,
standen Pate bei der Ausbildung der Voraussetzungen für die
Gewinnung neuer malerischer Aspekte, die sich zunächst in den
Werken Rueland FrueauFs d. J. abzeichnen. Passau ist der Aus-
gangspunkt und im Stifte der Augustincr-Chorherren in Klo-
stcrneuburg hat der Meister während einer ganzen Reihe von
Jahren gearbeitet. Die Kreuzigung von 1496, die Flügel des Al-
tares Johannes des Täufers bzw. Leopolds des lleiligen (1501),
der neue Landespatron von Niederösterreich fast lebensgroß
(1507), verhalten in ihrer Darstellung der Menschen, schlagen
mit ihren Landsehaftsbildern eine neue Seite deutscher Malerei
auf. Beides zusammen erinnert nach einem Worte von Friedrich
Winkler an die deutschen Romantiker Moritz von Schwind und
Ludwig Richter.
Der Donaustil im engeren Sinne ist aber mehr als das. Er wird
seit der Ankunft der Augsburger Meister in Österreich von
einem „neuen, wilden Geist" beseelt, von dem in der Plastik
auch ein Veit Stoß stark berührt erscheint; der Nürnberger
Meister nimmt auf die donauländische Entwicklung denn auch
stärksten Einfluß. Zeitlich schiebt sich zwischendurch Lukas
Cranach ein, dessen ältestes Tafelbild - eine Dornenkrönung
aus dem Neukloster in Wiener Neustadt - von Otto Benesch
noch in das Ende des 15. Jahrhunderts (1498199) angesetzt wird;
auch (Üranach zählt somit zu den Paten der Donauschule, deren
llauptmeister Albrecht Altdorfer (St. Florian!) und Wolf lluber
nur auf Reisen bis Wien gelangt sind. Wohl aber hat Albrechts
Bruder Erhard in der Schleierauffindung der Klosterneuburger
Galerie in Niederösterreich ein namhaftes Werk hinterlassen.
Längeren Aufenthalt nahm hier Jörg Breu d. A. aus Augsburg.
den wir als „pictor ex Khrembs" in den Abtsrechnungen von
Zwcttl finden; er malte für die Zisterze den heute noch erhal-
tenen Bcrnhardialtar (1500). In den beiden folgenden Jahren
schuf er die bereits im ausgeprägten Donaustil gehaltenen Hoch-
altiire von Aggsbach (Karthause) und Melk (Stiftskirche), letz-
terer fälschlich nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Wul-
lersdorf nach diesem Orte bezeichnet} In Krems arbeitete er als
Geselle in der Werkstatt seines Landsmannes Lorenz Wilgitter,
den er an Kunstfertigkeit weit übertraf. 1502 in seine schwä-
bische lleimat zurückgekehrt, nahm er seinen jüngeren Bruder
Claus (Niklas) als Lehrling auf. Auch dieser verbrachte seine
Reisc- und Gesellenjahre nach Schulung bei Altdorfer in Regens-
burg in Ober- und Niederösterreich, wo wir ihn urkundlich in
Wien und Stift Göttweig bis 1533 verfolgen können; ein längerer
Aufenthalt in Krems ist so gut wie sicher, das gerade damals
eine ganze Anzahl von Malcr-, Bildhauer- und Steinmetzwerk-
Flügelaltal" der Stiftskirche von Zwettl mil Tafelhildern (aus dem Leben
des hl. Bernhard) von Jörg Breu d. Ä. Um 1500.