DER KÖNIGLICHE FRÜHRENAISSANCE-OFEN AUS DEM
SCHLOSSE WAWEL IN KRAKAU
Von MARIA PIATKI
EWlCZ-DEREN
Die Erzeugung von Ofenkacheln erfreut sich in Polen einer
langen, weit ins Mittelalter zurückreichenden Tradition. l)as
Zentrum der Kachelkunst war einige Jahrhunderte lang Polens
ehemalige Hauptstadt Krakau und der Hauptabnehmer war die
königliche Residenz Wawel. Die seit vielen Jahren im Schlosse
und auf dem Wawelhügel durchgeführten Restaurierungsarbeiten
und archäologischen Forschungen liefern ständig neues Material.
So enthält ein Saal des unlängst eröffneten Museums für Wawcl-
Geschichte eine reiche Sammlung alter Ofcnkacheln. Einen Tl-il
der Exponate bilden die Kacheln des sogenannten Königlichen
Ofens. die das Thema des nachfolgenden Artikels sind}
Die Rcstauricrungsarbeitcn. welche im Jahre 1927 auf den Ar-
kadengängen des ersten Stockwerkes des Wawclschlosses ge-
führt wurden, haben eine große Zahl von Kachelfragmc ten ans
Licht gebracht. Die Bruchstücke lagen unter dem Estrich des
Parterres. wohin sie wahrscheinlich noch im Laufe des 16. jhdts.
oder im 17. _]hdt., während des Wiederaufbaues des Schlosses
nach einigen licuersbrünsten und den Verwüstungen des schwe-
dischen Kricgcs. als Schutt weggeworfen waren. Der Stil und die
Erzeugungsmcrkmale der Kacheln wiesen darauf hin. daß man
es mit einer einheitlichen Gruppe zu tun hatte. die einem oder
vielleicht zwei ähnlichen Öfen angehörten. die zu Anfang des
16. jhdts. noch unter dem überwiegenden Einfluß der Gotik
entstanden waren. Weitere Untersuchungen der Kreuzgänge
hatten in den Jahren 1956 und 1957 neue interessante Kachel-
fragmente beigebracht. Die gefundenen Bruchstücke wurden zu-
sammengestellt und -gekleht, teilweise plastisch ergänzt und so
als ganze Kacheln der Ausstellung des Museums hinzugefügt.
Die mit der Konservation unternommenen wissenschaftlichen
Forschungen erlaubten es. die Provenienz und die Entstehungs-
zcit der Kacheln festzustellen. Sie hatten auch die Person des
Hafncrs näher bekannt gemacht und endlich einen Versuch der
Ofenrekonstruktion ermöglicht.
Die Gruppe der gefundenen Kacheln. dekorativ und koloristisch
sehr reichhaltig, umfaßt figurale (Brustbilder der Könige in
architektonischen Umrahmungcn). figural-heraldische (Wappen-
halter) und pflanzliche Motive. Diese letzte, sehr mannigfaltige
Gruppe enthält mehrere Arten des Rosettenmusters. stilisierte
Blumenknospen und Ranken, waagrecht, senkrecht oder diago-
nal komponiert. Das sorgfältig ausgeführte Relief ist sehr
plastisch; der Dekor erhebt sich konvex und tritt aus der Ober-
fläche der Kacheln heraus. Charakteristisch und nirgends sonst
in der damaligen polnischen Kachelerzeugung anzutreffen, ist
die Anwendung der matten Zinnglasur, die auf den Kacheln
neben der durchsichtigen Bleiglasur auftritt. Das Benutzen der
Zinnglasur erlaubte es, eine reiche Farbenpalette einzuführen.
Nchcn den allgemeinen in der Gotik gebrauchten gelben und
grünen Blciglasuren kommen auch milchwcißc, ockcrgclbe,
violettbraune und kobalthlaue vor. die ihren Glanz und ihre
lebhafte Frische bis jetzt bewahrt haben. Reiche Vergoldung ver-
stärkt noch den Effekt der Glasurfarbe.
Die Identifizierung der auf den Kacheln dargestellten könig-
lichen Gestalten und-die Feststellung ihrer ikonographischen
Vorbilder erlaubte cs auch, die Entstehungszeit der Kacheln zu
bestimmen. Beim Forschen nach den ikonographischen Mustern
zog man auch die Eventualität der sehr oft in der Kachclkunst
üblichen Anwendung von graphischen Vorbildern in Erwägung.
Die Durchsicht der damaligen graphischen und plastischen Por-
träts der polnischen Könige ließ erkennen. daß auch in diesem
lialle eine Abhängigkeit der Kachcldarstcllungen von den ob-
genannten XVerken gegeben ist. Ein Vergleich der auf zwei Ka-
cheln dargestellten Königsbildei" mit dem die "Statuten" von
Johann Laski? illustrierenden Holzschnitt: "Die Genealogie der
jagellonenfamilic" (um 1503) und der Grahplatte des polnischen
Königs johann Albertus (jan Olbracht) im Krakauer Dorn
Wawel. Zwei Kacheln mit stilisiertem Pflanzen- und
Roscttcnmustcr.