„Schleierlegcnde" gefunden hat. Mit dieser eindeutigen Bezie-
hung auf Klosterneuburg wäre wohl die Frage nach der Herkunft
der Glasgemälde gelöst, wenn nicht der unglückliche Umstand,
daß die Namensinsehrift der Agnes-Scheibe nicht im Original,
sondern nur in einer Erneuerung des 19. Jahrhunderts auf uns
gekommen ist, ihre Beweiskraft schwächen würde. Anderer-
seits lehnt sich das etwa 30 jahre jüngere Bildnis der Markgräfin
Agnes aus dem Kreuzgang von Klosterneuburg so eng an unsere
Scheibe an, daß man nicht nur annehmen muß, es sei in dieser
schon von Anfang an jenes Agnes' gemeint gewesen, sondern
der Maler des Kreuzgangs habe die älteren Babenbcrger-Dar-
stellungen in nächster Nähe vor Augen gehabt. Das aber trifft
zu, wenn die Steyrcr Scheiben den Schmuck jenes Kirehenrau-
mes in Klosterncuburg gebildet haben, in dem das Bildnis der
hochverehrten Stiftsgründerin gleich sinnvoll war, wie das Leo-
polds des Glorreichen, nämlich der „Capella marmorea" oder
„speciosa", die dieser Herzog um 1220 erbaute. Von hier aus
erhellt sich plötzlich das Schicksal der Scheiben, die offenbar
mit dem gesamten Abbruchmaterial der 1799 abgetragenen Ka-
pelle nach Laxenburg kamen und, während die Bauglieder (eben-
solche burgundische Säulehen, wie sie auf den Babenberger-
scheiben wiedergegeben sind) in die Kapelle der Franzensburg
verbaut wurden, überzählig herumlagen, um schließlich nach
Steyr abgeschoben zu werden. Wie ist aber die Lokalisierung
der um 1300 geschaffenen Glasgemäldc in die Capella speciosa
mit der oft zitierten Urkunde von 1291 in Einklang zu bringen,
in der Herzog Albrecht, der nachmalige König, die Sorge für
die bereits bestehende Verglasung dem kunstiertigen Magister
Eberhard überträgt? Eberhard erhält den Fruchtgenuß von
Weingärten (aus der Urkunde von 1331 geht hervor, daß es mehr
als zwei gewesen sein müssen, was als Gegenwert immerhin
eine bedeutende Arbeitsleistung voraussetzt), „ut vitreas ipsas
emendet . . . et r e f o rm e t." lir wird hier ausdrücklich nicht für
die Pflege („conservatio") und Ausbesserung der Fenster, son-
dern auch lür deren E r n e u e r u n g entlohnt. Es ist also durch-
aus möglich, wenngleich nicht zu beweisen, daß wir in der ab
1291 von Eberhard erneuerten Verglasung unsere Scheiben zu
erkennen haben. Der Habsburger Albrecht, der Sohn des noch
als ein Fremder ins Land gekommenen Rudolf I., der bestrebt
sein mußte, sein Haus in der lebendigen Tradition des durch
mehr als zwei Jahrhunderte an der Regierung gewesenen Ba-
benbergischen Hauses zu verankern, hätte darnnch in der Hol-
kirche zu Klosterneuburg, deren Vogt er als Landesherr war,
ihren Gründer, Leopold den Glorreichen und die „venerata fun-
datrix" des Stiftes im Bildnis verewigt.
Mit dem Jahr 1331 überträgt der alt gewordene Eberhard mit
Bewilligung des Herzogs Otto das Glasamt der Kapelle seinem
Sohn Alhart, der wahrscheinlich auch der Schöpfer der um
diese Zeit entstandenen Kreuzgangverglzisung von Klosterneu-
hurg ist. So würden die schönsten hochgotisehen Glasmalereien
unseres Kunstraumes mit den bedeutenden Werken des Über-
ganges durch das höchst reale Band der vom Vater dem Sohn
übermittelten Tradition verknüpft sein.
Links:
„MessercW-Monslranz. Freising, H72 (Sixlus Schrnuner-
mcier), Waidhufen n. d. Ybbs, Smdlpfnrrkirchc.
Rechts außen:
Ciborium des Propstes Stephan von Sicmdorf. Wien, um
1331, Stift Klostcrncuburg, Schatzkammer.
Rechts innen:
Ostensorium mit einer Krcuzpurlikcl. Wien. um 1430, Stift
Kloslerncuhurg, Schatzkammer.
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