GOTIK IN NIEDERÖSTERREICH
GOLDSCHMIEDEKUNST
Der Aufschwung, den die bildende Kunst in Niederösterreich
vom späten 13. Jahrhundert an nahm, ist in gleichem Maße
auch bei der Goldschmiedekunst bemerkbar. Das Schwergewicht
des künstlerischen Schaffens lag in Wien. Hier entstanden Wer-
ke, die zu den vorziiglichsten Leistungen der deutschen Kunst
zählen. Den ersten Fixpunkt dafür bildet nach wie vor die Nach-
richt, daß nach dem Brand des Stiftes Klosterneuburg Wiener
Goldschmiede im Jahre 1331 die Umarbeitung und Ergänzung
der Reihe von limailplatten des Nicolcius von Verdun zu einem
Triptychon vornahmen. Den damals neu angefertigten Platten
lassen sich stilistisch weitere Werke zuordnen. Oh allerdings
die von Otto von Falke zusammengestellte Gruppe von "Wiener"
Arbeiten, deren schönste in ClevclandlOhio verwahrt werden,
wirklich nach Wien zu lokalisieren oder nicht doch etwa ober-
rheinisch ist, läßt sich vorläufig noch nicht sagen.
Die derzeitige Forschungslage kann noch keine geschlossene
Entwicklung der Wiener Goldsehmiedekunst aufzeigen. Daran
ist wesentlich der Mangel fester qucllenmäfliger Anhaltspunkte
schuld.
Von HERMANN FILLITZ
Die hohe Qualität der erhaltenen Werke aus allen Epochen
des 14-. und 15. Jahrhunderts beweist aber, daß wir mit einer
kontinuierlichen Blüte der Goldschmicdekunst zu rechnen haben.
Ihre Abfolge aufzuzeigen, ist ein Desiderrit der Wiener Kunst-
gcschichteu
Zwischen den Arbeiten Wiener und nicdcröstcrreichischcr Her-
kunft haben auch andersartige Goldschmiedearbeilen dieser
Epoche ihren Platz. Die Hnndelsstraßen, die unser Land von
Nord nach Süd und von Ost nach West durchkreuzen, schufen
Verbindungen mit anderen Zentren, aus denen erlesene Werke
angekauft wurden, aber auch Meister zuwanderten, die hier ihre
Werkstatt aufschlugen. Dafür ist der Wiener Neustiidter „Cor-
vinus"-Becher das vorzüglichste Zeugnis. Seine Dekoration läßt
sich nur aus der intensiven Kenntnis siebenbürgischer Arbeiten
erklären. jene Städte aber, die Eigentum auswärtiger Bistümer
waren, bestellten ihre Altäre, kirchlichen Geräte usw. nicht
in Wien oder einer anderen Stadt Österreichs, sondern in ihrem
Heimatbistum. Die „Messeref Monstranz in XVaidhofen an der
Ybbs ist ein kennzeichnendes Beispiel dafür.
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