Krems, Ehcmnl. Domini-
kzmerkirchc: Krönung
Mariae und Kreuzigung
Christi mit licclesizx, Sy-
nagoge und Fragment des
Ahcndmahlcs (um 1280).
lerei des 14. Jahrhunderts aufbaut. Von Norden, aus der böhmi-
schen Keimzelle des „Weichen Stils" kommen die Formgedankcn,
denen nach dem ersten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts u. a.
die Apostelfiguren und die Halbfiguren _der Propheten im Chor
der Pfarrkirche von Lits e h a u verpflichtet sind. Die Lust die-
ses Malers an der Wiedergabe der typischen Schlängelsäume
überreich fließender Drapericn hat ihn freilich über jedes Maß
hinausgetragen, hat die körperliche und seelische Erscheinung
entwertet und - hier wird der provinzielle Charakter des Mal-
werkes üherdeutlich - zur reinen Stilkarikatur werden lassen.
Das 15. Jahrundert, eine Zeit, in der die Produktion in der
Wandmalerei ungeheuer in die Breite wächst, ohne daß der
Menge auch die künstlerische Bedeutung entsprechen würde (sie
gelangt nun in der Tafelrnalerei zum Ausdruck), hat in Nieder-
österreich nicht viel hinterlassen. Als typisch für die Wieder-
belebung mystischer Gedanken sowohl, wie für das Stilgepräge
der ersten Jahrhunderthälfte, mag das gemalte Sakraments-
häuschen im Chor der Pfarrkirche von Stratzing gelten.
Ausdrucksstark, und in ihrer Kleinteiligkeit eher dem Geist
der Tafelmalerei als dem der Monumentalmalerei entsprossen,
zeigt sich die Passionsfolge der Zeit um 1470 an der Außenseite
der Schatzkammer von St. Stephan in Wie n. Erst um die Wen-
de zum 16. Jahrhundert und nach 1500 finden sich einige Werke
von gewissem Rang, die nun, im Zeichen der allgemeinen Stil-
erscheinung, graphische Elemente in die Monumentalmalerei
einführen und sie damit, auch in technischer Hinsicht, von ihrem
ursprünglichen Wesen entfernen. Die feinen Strichlagen, die
in A l t l i c h t e n w a r t h die Gestalten der Madonna oder des
Seelenwägers Michael, oder in Amstetten die Figuren des
Jüngsten Gerichtes formen, sind nicht nur als Vorzeichnung
gedacht: die lasierend aufgetragene Farbe koloriert ein Gefüge,
dessen Gerüst wieder die als Ausdrucksmittel empfundene Linie
bildet, wenn auch in einem anderen Sinn als zur Zeit der be-
ginnenden Gotik. Innerhalb der österreichischen Wandmalerei
der Gotik stellt ihr niederösterreichischer Zweig keinen Sonder-
fall dar; es gibt auch keine Phase, in der sich eine eigene, etwa
stammesbedingte Note abzeichnen würde. Die Züge fügen sich
in das Gesamtbild, dessen Umrisse wir bereits kennen. Es gibt
aber einen Höhepunkt: Die Kremser Malerei in den Jahrzehnten
vor und nach 1300. Sie hat zum erstenmal in Österreich und in
einzigartiger Weise die Gedanken der Gotik in der Monumen-
talmalerei ausgesprochen.
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