DER DONAUSTIL IN DER ARCHITEKTUR
Von RUPERT
'FEUCHTMUI
LER
Seit der im Jahre 1906 verfaßten bahnbrechenden Untersuchung
von Hermann Voss über die Ursprünge des Donaustiles fand
dieser Begriff in die Kunstgeschichte allgemeinen Eingang. Er
hatte zuerst nur für die Malerei Geltung und war auf einige füh-
rende Werke aus dem Kreis Rueland Frueaui des Älteren, Alt-
dorfers und Wolf Hubers angewandt worden. Inzwischen über-
blicken wir dank zahlreicher Entdeckungen eine geschlossene
Entwicklungsreihe, die uns das Vorhandensein einer „Schule"
erst richtig bestätigt. Auf dem Gebiet der Plastik traten die
Pfnffendorf im Vfcinv
Merkmale der Astwc
Leistungen des Donaulandcs gleichfalls mehr und mehr hervor,
so daß wir die Entfaltung einer Ausdruckskunst, die von Pa-
cher ausgeht, und sich in den Flügelaltären von Kefermarkt,
Mauer, Zwettl und Pulkau steigert, nun klar erkennen. Auch
dabei zeigt es sich, welche große Anziehungskraft das Donau-
land im 1. Jahrzehnt des 16. jahrhunderts auch auf auswärtige
Künstler besaß.
Bedenkt man die starke innere Verwandtschaft von Malerei und
Plastik, dann ist es eigentlich verwunderlich, daß die Architektur
jenes Zeitraumes so lange Zeit von der kunstgeschiehtlichen
Forschung unberücksichtigt blieb. Gerade sie vermag doch über
die lokale Umgrenzung des Stiles, so wie über seine Ausstrah-
lungen und Einflußbereiche die exaktesten Auskünfte zu ge-
ben. Erst in den letzten Jahrzehnten häufen sich die Untersu-
chungen, die sich der spätgotischen Architektur zuwandten.
Ernst Petrasch wies in seiner Dissertation auf die interessanten
cntwicklungsgeschichtlichen Parallelen, die sich zu Plastik und
Malerei ergeben, hin und Götz Fehr, der eine Monographie über
Benedikt Rieth verfaßte, gebrauchte in einer Abhandlung über
den Wladislavsaal bereits den Begriff des Donaustiles. Freilich
hatte seine Arbeit die Blicke vor allem in den bayrischen Raum
gelenkt, wo im Schaffen Stettheimers und Krumenaucrs (St. ja-
kob in Wasserburg) die Vorbilder für Benedikt Rieths große Lei-
stung zu suchen wären.
Dieser sehr einleuchtend aufgezeigten Entwicklung aber steht
eine große einheitliche Gruppe von Baudenkmälern im österrei-
chischen Donauraum gegenüber, die sich weder zu Bayern noch
zu Böhmen in ein direktes Abhängigkeitsverhältnis bringen läßt.
Sicher fehlt es nicht - vor allem im Mühlviertel an Bindeglie-
dern zu Südböhmen (Rosenberg) und Passau. In Salzburg ist
dagegen der bayrische Einfluß stärker. Die sakralen Bauwerke
des Donauraumes zeigen demgegenüber viel eigenwilligere,
ausdrucksstärkere Lösungen, die in ihrer Konsequenz dem böh-
mischen und dem von ihm beeinflußten obersächsischen Raum
voraus sind.
Das Zentrum für den Donaustil der Architektur _bildet in
Österreich die Wiener Dombauhütte mit ihren Zweigniederlas-
sungen, von denen die Viertellade in Steyr eine überragende
Stellung einnahm. Sie wirkte in das Mühlviertel über Admont,
nach Salzburg und - in entfernten stilistischen Auswirkungen
- bis nach Schwaz in Tirol. Ein breiter Kunststrom führt über
den Erzberg nach Göß, um in Kärnten (Eberndorf. Gurk und
Villach) allmählich zu vercbben.
Die Voraussetzung für die spätgotischen Stileigentümlichkei-
ten waren im wesentlichen an die Form der Hallenkirche ge-
bunden. Der Begriff der Halle wird um 1500 in seiner letzten
Konsequenz laßbar. Die drcischiffige Zerlegung des Chores
strebt einer Vereinheitlichung zu und erfährt in der durch sieben
Fenster gegliederten, dynamisch bewegten Chorwand von Kren-
stetten ihre letzte Steigerung. Sie erreicht eine Lösung, die An-
naberg und Pirna zeitlich und entwieklungsgeschiehtlich voran-
geht. Um 1500 wird auch das tektonische Gefüge der Gotik
verändert und dynamisiert. Dies beginnt schon bei den gedrehten
oder gekerbten Basen und Schalten. Die Säule selbst wird orna-
mentiert und windet sich wie in Göß, l-Iaidershofen oder Vökla-
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