hauslehren gegenüber unzugänglich zeigten. Denn eben weil
die Ergründung nicht anders als die Darstellung des Bezuges
auf die Erseheinungswelt bedurfte, blieh die bildnerischc Aus-
einandersetzung mit ihr nach wie vor das Um und Auf der
Schulung.
Einzig auf dem Gebiet der mit der Entwicklung der 'f"eelinik
immer dringlicher werdenden Formung der industriell gefer-
tigten Gebrauchsgüter fanden, zumal nach dem Zweiten Welt-
krieg, die inzwischen geläuterten Bauhatls "GrundlehreTMetho-
den Eingang, weil hier ohne spekulative Gedanklichkeit eine
früher oder später zu leistende Synthese von konstruktiver
Funktionsform und bildnerischer Seinsgestalt fast unerläßlich
ist. Wie weit daher nicht überhaupt zugunsten solcher Syn-
thesendringlichkeit bei gleichzeitiger Erlahmung und Rück-
läufigkeit des Interes: s an der „freien" Kunst die gesamte
bildnerische Nachwuchsschulung nach der Synthesenbildung hin
Streckung der in ihnen selbst enthaltenen und zunächst noch
verborgenen Gestaltanträge zu verfahren ist.
Ein Vergleich zwischen den WelthiId-Situationen im Mittel-
alter und in unserem spezifischen lleute macht das vielleicht
noch klarer, während die dazwischenliegenden Stationen der
„Darstellung und Ergründung" eher verwirrend wären. Das
Mittelalter aber ist sozusagen der echte Gegenpol, die echte
Enlsprechungslage zu unserer Situation. Denn damals wurde die
Welt als „Gottes Schöpfung" im Sinne der Genesis verstanden
und vorgestellt. Nachdem jedoch der Mensch in den Zwischen-
phasen die Welt erobert (und sich damit die Fähigkeit. sie dar-
zustellen errungcn) und sie anschließend aufgeschlüsselt (also
ergründet) hat, was der Verwandlung der „Sehöpfungf in eine
Art von Nutz- und Sachwert gleichkam, stellt sich nun wieder
die Potenz der Schöpfung, und zwar eben als das Wirken der
Gestalt- und Ordnungs-lntentionen innerhalh der „gesehaflt-ncn"
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tendieren und die Ausbildung zur „freic-n" Kunst nur noch als
einen Annex dazu behandeln sollte, ist eine zweite Frage, die
hier jedoch nicht näher erörtert werden soll. Es ist und kann
hier einzig von den Ausbildungsstätten für die freie Kunst die
Rede sein.
In diesen Schulen jedoch steht auch heute noch das Darstellungs-
und Ergründungsprogramm obenan, als ob sich inzwischen
nichts geändert hätte. Das und das allein ist die Ursache zu
den eingangs zitierten Schwierigkeiten und Konflikten. Denn
wenn die jungen Leute auch noch nicht wirklich wissen sollten
und können, um w: es geht, das eine wissen sie. daß mit der
darstellenden oder ergründenden Bewältigung von Erscheinungs-
welt oder gar mit irgendwelehcm "sthetischem Arrangement in
der freien Kunst nichts Neues im Sinne von neuer bildnerischcr
lirkenntnis- und Siehtbarmachungsleistung mehr geschaffen
werden kann. Auch spüren viele von ihnen schon, daß es für
sic auf die bildnerisehe Abtastung der Wirklichkeit und auf
ihre persönliche Übereinstimmung mit deren objektivcm Ge-
staltverlangen ankommt. Ist es da verwunderlich, dafi sie wia
derspenstig werden?
In der Tat gewinnen erst solche Lehrmethoden wieder einen
aktuellen und verbindlichen Wert, die einer theoretischen und
praktischen Erfahrung des Bildnerisehen an sich den Weg be-
reiten, des Bildnerischen nämlich als einer Weise der Lebens-
wirklichkeit schlechthin, soweit wir ihrer im „Stoff", in der
Farbe, der Linie, der Fläche, im Rhythmus und als RIiumlichA
keit habhaft werden können. In diesem Zusammenhang frei-
lich sind die Farben, um nur sie als Beispiel herauszugreifen,
keine Materialien im Hinblick auf irgendwelche Darstellungs-,
lnterpretations- und Formalzweeke mehr, sondern sie werden
als lebendige Wesen und Wirklichkeiten mit eigenen (in-hallen
und Aussagequalitäten offenbar. Wie alle anderen zum liins '
kommenden bildnerischen Mittel und Elemente also sind sie
schon an sich und als solche Gleichnisträger und wvokabcln",
mit denen nicht mehr von einem außerhalb von ihnen gelegenen
Konzept her „ vediebtet" und „komponierf wird. sondern
geradezu "exekutiv" im Sinne einer Durchführung und Voll-
Welt ein und dar. Es geht also tatsächlich nicht mehr um eine
bloße „GlaubensWVorstellung von der Schöpfung, sondern um
eine durchaus bewußte und zugleich gehorsam mitvollziehcnde
Erfahrung und Anteilhaftigkeit an jenen Intentionen.
Einen weiteren Aufschluß können die Worte „Skiz2e" und „Stu-
die" auf der einen und „Übungf auf der anderen Seite bieten.,
Skizzen und Studien macht man auf ein bereits im Konzept be_
stehendes Form- und Bildziel hin. Übungen hingegen nicht allein
um einer manipulierenden Fertigkeit in irgendeiner bildneri-
sehen Verfahrensweise willen, sondern auch und vor allem, um
von deren Schwierigkeiten frei zu werden und so zu einer me-
ditativen Anteilhaftigkeit an Geist und Wesen der in der Ver-
fahrensweise zur Gestalt drängenden Mittel zu gelangen. Wenn
Studien und Skizzen natürlich auch derartige Ziele für sich in
Anspruch nehmen, so bleiben sie im Grunde doch und ihrem
eigentlichen Zweck nach Versuche auf eine Besitzergreifung hin,
während die Übungen als Lockerungen, eben als Freiwerclungen
auf eine gleichsam empfangende Bereitschaft hin zu gelten
haben. Sie wollen und sollen den Übenden dazu befähigen, mit
dem Wesenskern der Übungswelt eins zu werden und sich aus
ihm heraus und mit ihm im Bildtun zu vollziehen.
Von hier aus stellt sich die passive (oder auch aktive) Resistenz
gegen den üblichen Kunstsehulbetrieb erst recht als Widerstand
gegen eine Fehlleitung „von oben" dar. Klassen- oder gar
generationsweise, aber auch schon Obstruktion geweckter Ein-
zelner ist stets das Zeichen dafür, daß ein System versagt. Denn
würde man, statt auch heute noch die für Darstellung und Er-
gründung nötige Auseinandersetzung mit der bloßen Erschei-
nungsweise der Natur die mit den bildnerischen Mitteln und
dem reichen Sprachschatz ihrer Aussagequalitäten pflegen, so
wäre die lebhafteste Resonanz fast aller, die sich jetzt „unbe-
lehrbar" zeigen und mit oft lächerlichen Klecksereien herum-
zustümpern für richtig halten, wahrscheinlich, wenn nicht gar
gesichert. Was hier demnach verfehlt wird. fällt auf die Lehrer
und sie allein zurück, wie sie sich auch nur selber treffen, wenn
sie die unbeholfen-kläglichen, weil völlig ungeführten Mach-
werke der „Faulen" mit ihren Spott verfolgen.
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