HAYDNS
GEBURTSHAUS
IN
ROHRAU
Von RUPERT FEUCHTMÜLLER
Es gibt in Österreich wenige Künstlergedenkstätten, die eine
ähnliche Volkstümlichkeit erreichten wie Joseph llaydns Ge-
burtshaus in Rohrau. Das kleine strohgedeckte Bauernhaus, das
sich der Wagnermeister Matthias llaydn um 1728 erbaut haben
dürfte, hat sich bis zum heutigen Tag unverändert erhalten.
Obwohl der große österreichische Komponist nur die frühesten
jugendjahre - mit sechs Jahren kam er zu Seinem Onkel nach
Hainburg - inmitten der ländlichen Umgebung seines Geburts-
ortes verbrnehte, hing er mit besonderer Liebe an seiner Heimat.
Selbst auf der Höhe seiner Erfolge, als er in Oxford zum Doktor
der Musik promoviert wurde und sich sein Ruhm in allen Län-
dern Europas verbreitet hatte, bekannte er sich stolz zu seiner
bäuerlichen Herkunft. Obwohl er mit adeligen und gekrönten
„Ihr holden Philomelen
belebet diesen Hayn,
und lasst durch tausend Kehlen
diess Lied verewigt sein."
„Ein Denkmahlstein für Haydn's Ruhm
weiht diesen Platz zum Heiligthum,
und Harmonie klagt wehmuthsvoll,
dass dessen Hand einst modern soll."
Zur Besichtigung dieses Denkmals war der eben von seiner
triumphalen Englandreise zurückgekehrte Haydn 1795 nach
Rohrau gekommen. Damals besuchte er auch sein Geburtshaus,
lrliiuiatern Umgang hatte, blieb er doch - wie er selbst sagte -
der einfache Mensch, der er von Anfang an war.
Diese Worte sind mehr als eine pietätvolle Empfindung, sie sind
Ausdruck seines innersten Wesens. Aber auch Rohrau war stolz
auf seinen berühmten Sohn. Graf Leonhard IX. von Harrach, der
Grundherr von Rohrau, ein der Geschichte des Landes geistig
sehr verbundener Mann, faßle schon 1791 den Plan, joseph
Haydn ein dauerndes Denkmal zu setzen. Dem romantischen
Empfinden seiner Zeit gemäß, schul er dafür eine malerische
Insel in der Leithaau und errichtete 1793 ein Monument, das,
ähnlich wie bei Mansields Stich (1781) mit einem Musikstilleben
geschmückt war. Es ist ein Werk des Bildhauers joseph Kempl
(1755-1831). Die Büste sehul Jakob Prokop erst 1838 nach dem
Vorbild Grassis. Die beiden erhaltenen Liedlexte (am Sockel des
Denkmals) von Gabriele von Baumherg, der Melodie cinrs An-
dantes von Joseph Haydn unterlegt, geben Zeugnis von jener
innigen Verehrung, die man dem Künstler entgegenbrachie.
das nach dem Tod seines Vaters, der es bis zum Marktrichter des
Ortes gebracht hatte, 1763 in fremden Besitz übergegangen war.
Von dankbaren Erinnerungen bewegt, kniete er, wie die Uber-
lieferung berichtet, nieder und küßtc die Schwelle. Auch auf die
harte Ofenbank soll Haydn verwiesen haben, wo er olt als Knabe
gesessen hatte, wenn er mit seinem Vater Lieder zur Harfe
sang.
Wieder in die große Stadt Wien zurückgekehrt, war er Rohr-au
weiterhin verbunden. So ließ er im 3. Helt der 1800 erschienenen
„Oeuvres complets" auch einen Kuplerstich seines Denkmales
von Kinninger und Boht aufnehmen und zeigte, wie man erzählt,
in Wien allen seinen Besuchern stolz ein Holzmodell seines
Rohrauer Monuments. Die ersten Ansichten seines Hauses dürf-
ten jedoch erst kurz nach seinem Tod im Druck erschienen sein.
Wir wissen von den Bleistiftzeichnungen und Aquarellen
Michael Mayrs und kennen den Stich nach Friedrich Berndt. Ihn
dürfte auch Ludwig van Beethoven in Händen gehabt haben.