FRIEDRICH
GAUERMANN
Von RUPERT
'FEUCF
FMÜLLER
Es gibt kaum einen österreichischen Maler des 19. Jahrhunderts,
dessen Werk eine so unterschiedliche Bewertung erfuhr wie das
Friedrich Gauermanns. In höchster Anerkennung und abwer-
tender Kritik spiegeln sich aber nicht allein das Schicksal einer
schwankenden künstlerischen Entwicklung, sondern auch die
geistig wirkenden Kräfte eines Jahrhunderts, dessen bieder-
meierlicher Realismus zu einem Prüfstein der freien schöpfe-
rischen Leistung wurde. Versuchen wir die verschiedenen
Faktoren auseinander zu halten, dann werden wir Gauermanns
große Leistungen erkennen. aber auch ein lebensnahes Bild
jener Epoche erhalten, in der sich Romantik und bürgerliches
Barock begegneten.
Gauermanns früheste künstlerische Anfänge sind durch die Auf-
fassung seines Vaters Jakob, der bei Erzherzog Johann als
Kammermaler im Dienst stand. bestimmt. [)ie klassizistische
Landschaftsmalerei, geschult an der pantheistischen Naturauf-
fassung Claude Lorrains, hatte jedoch schon eine persönliche
Färbung erfahren. Sie war von den großen idealen Vorstellungen
abgewichen und hatte sich in der Auseinandersetzung mit der
Realität spezialisiert. Kein Wunder, daß Jakob Gauermann bei
der Erziehung seiner begabten Söhne Carl und Friedrich dem
Naturstudium eine besondere Bedeutung beimaß. Da er sich mit
der Familie die Sommermonate über auf seinem Gutshof in
Scheuchenstein. nahe dem Schneeberg. aufhielt. waren seine
Buben inmitten einer malerischen Umwelt aufgewachsen. Auf
Grund von erhaltenen Skizzen und schriftlichen Aufzeichnungen
sind wir unterrichtet, daß der Vater die künstlerische Beobach-
tung seiner Söhne an konkreten Aufgaben schulte und ihnen
verschiedene Motive zu zeichnen gab. Vielleicht spielt hier
manches von der exakten. mehr auf das Topographische gerich-
teten Gedankenwelt Erzherzog Johanns in das Künstlerische
herein. Mit dem Studium vor der Natur. dem Zeichnen und
Malen inmitten der sonnigen Landschaft. vertrat Jakob Gauer-
mann jedenfalls eine sehr moderne Auffassung. die Waldmüller
Jahrzehnte später zum revolutionierenden Lehrprinzip erheben
sollte.
In die Zeit dieser tastenden Versuche und künstlerischen Aus-
einandersetzungen. fällt das akademische Studium Friedrich
Gauermanns, der schon mit 17 Jahren in Wien seine Ausbildung
begann. Hier lernte er vor allem in den bekannten Galerien und
Sammlungen Ruisdael, Wouvermann und Potter kennen. Ihre
Werke gehörten zum selbstverständlichen Studium eines jungen
Malers, der sich dem Landschaftsfach zuwenden wollte. Seinen
um Jahre älteren Bruder Carl. der viel mehr in der Art des
Vaters arbeitete, inspirierten sie zur idealen Landschaft. Wald-
müller machten sie anfänglich zum Kopisten. Friedrich Gauer-
Friedrich Gaucrmunn, Weinlese: in
Vöslau. O1 auI Papier, 25.3 X 31.3 cm.
Bibliothek der Akademie der Bildenden
Künste, Wien.