MUSEEN,
SCHLÖSSER
UND TOURISTEN
FRANZ WINDISCH-GRAETZ
DIE ERHALTUNG UND SINNVOLLE VERWENDUNG DER SCHLOSSER IST EIN KULTURELLES ANLIEGEN, AUF DAS
IMMER WIEDER I-IINZUWEISEN, WIR ALS EINE UNSERER VORDRINGLICHEN AUFGABEN ANSEHEN. NACH JAHREN
DER RATLOSIGKEIT, WIE DEM VERFALL ENTGEGENGEWIRKT WERDEN KONNTE, SCHEINT ENDLICH EINE NEUE,
BESSERE ÄRA ANGEBROCHEN ZU SEIN. - MAN HAT DREI PROBLEME, DIE SCHEINBAR NUR WENIG MITEINANDER
ZU TUN HABEN, IN RELATION GEBRACHT UND DAMIT EINER KONSTRUKTIVEN LÖSUNG ZUGEFÜHRT: DIE
RAUMNOT IN DEN MUSEEN, DAS UNGENUTZTE KULTURPOTENTIAL DER SCHLOSSER UND DIE SCHAFFUNG KUL-
TURELLER ZIELE FÜR DEN STROM DER MOTORISIERTEN TOURISTEN.
Wer wird nicht an die Parabel vom vergrabenen Talent
erinnert, wenn er von den seit Generationen zusammen-
getragenen Kulturwerten erfährt, die in den Depots der
öffentlichen Kunstsammlungen gehortet sind? Schon das
nüchtern bürokratische Wort „Depotbcständä kenn-
zeichnet die latale Degradierung dieser aus Raummangel
beiseite geräumten Kunstwerke. Sie existieren nur für
eine Handvoll Leute, für die wissenschaftlichen Beamten
und Konservatoren, die sie zu betreuen haben, und für
einige wenige Spezialisten, die sie in Ergänzung zu den
bevorzugten Gegenständen in den Schausammlungcn stu-
dieren wollen. Sie existieren vornehmlich in fein säuber-
lich geführten Inventaren und Karteien als Nummern.
Diese Depotbestände sind Kunstwerke, denen ein gütiges
Schicksal zwar ihre Existenz belassen, sie aber scheintot
vergraben hat. Es ist wohl an der Zeit, diese Schätze
wieder in den Kreislauf des kulturellen Lebens einzube-
ziehen, indem sie aus den Kellern und Magazinen her-
vorgeholt und den Menschen wieder zugänglich gemacht
werden; denen, die sich an ihnen erfreuen wollen und
denen, die sich mit ihnen befreunden sollen.
Welche Möglichkeiten zur Lösung dieser Aufgabe heran-
gezogen werden können, hat in vorbildlicher Weise die
Kulturabteilung des Amtes der Niederösterreichen Lan-
desregierung gezeigt. Denn auch für das Niederöster-
reichische Landesmuseum in der Herrengasse besteht das
gleiche Problem der Raumnot. Um hier Abhilfe zu
leisten, entschloß man sich, einen für Österreich völlig
neuen Weg zu beschreiten. Man ging dabei von der
Überlegung aus, daß die offizielle musenle Tätigkeit des
Sammelns und Konservierens von Kunstwerken und
Kulturdokumenten, aber auch die Veranstaltung von
Ausstellungen keineswegs auf e i n im überlieferten Sinn
geführtes hauptstädtisches Institut beschränkt sein muß.
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