intimen Goldkabinett -, all diese weiträumige Pracht
bietet sich doch förmlich an, für mehr da zu sein und
mehr zu geben, als nur den prächtigen Rahmen einer
Gemäldegalerie. - Das Gesamtkunstwerk eines ba-
rocken Schlosses bleibt ein Torso, wenn die architek-
tonische, plastische und malerische Ausstattung des In-
terieurs nicht die notwendige Ergänzung durch das Mo-
biliar und andere qualitätvolle Einrichtungsgegenstände
erfährt.
' Es wurde an dieser Stelle schon vor Jahren darauf hin-
gewiesen (Alte und Moderne Kunst, 1956, Nr. 3, S. 19),
daß es in Wien nur wenig Möglichkeit gibt, die Möbel-
kunst und Wohnkultur in ihrem zeitlichen Ablauf ein-
gehend zu studieren. Dem könnte nun durch eine aus-
gewählte und repräsentative Möblierung und Ausstat-
tung des Schlosses Eckartsau abgeholfen werden. Und
noch eine andere sehr wichtige Voraussetzung wäre auf
diese Weise geboten: Wien und Niederösterreich haben
durch den Krieg und die Nachkriegszeit einen uner-
hörten Substanzverlust an wertvollem historischen Mo-
biliar und Hausrat erlitten. Empfindliche Verluste wur-
den den lnventaren vieler Schlösser und den Museen
zugefügt: allen voran dem Österreichischen Museum für
angewandte Kunst, das sein „Bergungsgut" in die Schlös-
ser des nördlichen und östlichen Niederösterreich ver-
lagert hatte, die dann durch die Kriegsereignissc schwer
in Mitleidenschaft gezogen wurden. Diese Lücken müß-
ten endlich durch Neuankäufe geschlossen werden. Aber
wieder ist es die leidige Raumnot - nicht so sehr der
vielbeklagte Geldmangel -, die da als unüberwindliche
Schwierigkeit im Wege steht. Es bleibt also, wenn man_
die staatlichen Sammlungen nicht zur Erstarrung ver-
urteilen will, gar kein anderer Ausweg, als der der Ver-
wendung leerstehender oder nur ungenügend ausgestat-
teter Schlösser oder Paläste.
Warum sollten wir nicht den gleichen Weg einschlagen
können, der in den meisten europäischen Ländern schon
seit Jahren mit Erfolg beschritten wird? Zur Anregung
seien einige besonders gelungene Beispiele genannt: Bel-
gien: Das Rubenshaus in Antwerpen. Unter Verwendung
musealer Stücke wurde hier ein vollständiges, viele
Zimmer umfassendes Interieur des 17. Jahrhunderts re-
konstruiert. Deutschland: Festung Marienberg in Würz-
burg. Die reichen Sammlungen des im Kriege zerstörten
Majnfränkischen Museums werden in dem weitläufigen
Schloßbau in einprägsamer Weise dem Besucher darge-
boten. England: Aston Hall, einst außerhalb von Bir-
mingham gelegen, jetzt von den Vororten der Industrie-
stadt umschlossen, birgt in drei Stockwerken, deren
Räume als Interieurs gestaltet sind, einen Großteil der
kunstgewcrblichen Sammlungen des städtischen Mu-
seums, das so mehr Platz für andere Sammlungsgebiete
gewinnen konnte. Ähnliches gilt für Bristol, wo in zwei
alten Familienhäusern, Red Lodge in Park Row und Thc
Georgian House, die englische Wohnkultur aller Stil-
epochen dargestellt wird. In der näheren Umgebung von
London sind die Schlösser Harn Hause und Osterley Park
zu nennen, die mit ihrer kostbaren, zum Teil originalen
Ausstattung dem Victoria and Albert Museum unter-
stehen. Italien: In dem schönen Palazzo Rezzonico in
Venedig ist der anmutigen venezianischen Kunst des
18. Jahrhunderts ein reizvolles Museum eingerichtet
worden. In Schloß Capodimonte bei Neapel wurde
1957 eines der schönsten Museen Italiens eröffnet.
Der Piano nobile enthält die prächtig restaurierten und
eingerichteten Schauräume, während in dem Geschoß
darüber die berühmte Nationalgalerie von Neapel vor-
bildlich untergebracht wurde. Auf diese Weise konnte
hier sogar ein ganzer Flügel des in der Stadt gelegenen
alten Nationalmuseums für andere Sammlungsgebiete
freigemacht werden. Auch die Galleria Nazionale della
Sicilia in Palermo ist in dem aus dem 15. Jahrhundert
stammenden eindrucksvollen Palazzo Abbatelli unter-
gebracht. Gerade für Italien ließe sich diese Liste noch
um ein Beträchtliches erweitern. Man denke z. B. an das
Museum im Castello Sforzesco in Mailand und an die
Galleria Nazionale dell' Umbria, die seit 1950 in einem
der großartigsten Paläste Italiens, im Palazzo Comunale
von Perugia ihre Heimstatt hat. Portugal: Das Kunst-
gewerhemuseum in Lissabon, mit den reichen Sammlun-
gen des großen Kunstkcnners und Mäzens Dr. Ricardo
do Espirito Santo Silva befindet sich in dem stimmungs-
vollen Palacio Azurara. Unvergeßlich für jeden Spa-
nienreisenden ist das Museum spanischer Plastik, das der
gewaltige Bau des Collegio San Gregorio in Valladolid
beherbergt. Auch das Provinzmuseum von Burgos ist vor
Jahresfrist in einen ehrwürdigen alten Palast ein-
gezogen.
Diese prominenten Beispiele dürften wohl genügen, um
die Befürchtung als unbegründet erscheinen zu lassen,
daß die in einem Schloß oder einem Palast ausgestellten
Sammlungsobjekte nicht im gleichen Maße gepflegt und
geschützt werden könnten, wie in einem Museum. Um
diesen Einwand zu entkräften, genügt es, auf das von
England seit Jahrzehnten mit größtem Erfolg statuierte
Exempel hinzuweisen. In Blenheim, Chatsworth, Knole,
Wilton, um nur einige der wichtigsten Schlösser in der
näheren oder weiteren Umgebung von London und in
Südengland zu nennen, die sich teils in privatem Besitz,
teils in Verwaltung des National Trust befinden, ist die
gesamte Flucht der Prunkräume, - und das sind in den
genannten Häusern nicht wenige, - mit kostbaren Bil-
dern und ausgesuchten Erzeugnissen aller Art des Kunst-
handwerks, Teppichen, Möbeln, Tapisserien, Wandbe-
spannungen, Porzellan, sowie Werken der Gold- und
Silberschmiedekunst ausgestattet. Alle aufgezählten
Schlösser werden aber bei weitem von dem ehemaligen
Rothschild-Schloß Waddesdon Manor übertroffen, das
seit einem Jahr vom National Trust übernommen wurde
und dessen herrliche Einrichtung und Sammlungen den
größten Museen der Welt alle Ehre machen würden.
Obwohl also die Appartements dieser Schlösser vielfach
mit Kunstwerken ersten Ranges ausgestattet sind, hat
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