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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 3)

lesen läßt. - Das Neue als Erfahrung und Erfassung der 
Wirklichkeit ist jedoch stärker in den Ansichten der 
Ebene ausgeprägt. Zwar scheint das tageszeitliche Leben 
der Erde in der Farbigkeit aller vier Bilder maßgebend 
(Beginn der Jagd - Morgen, Reiherbeize - Mittag. 
Ende der Jagd - Abend), es ist jedoch nicht wirklich 
beobachtet. Sicherlich beruhen aber die Veduten selbst 
auf einer eingehenden Aufnahme der Landschaft, die so 
unkonventionell ist, daß die Horizontkrümmung, wie 
man sie in der Ebene feststellen kann, in den beiden 
„Jagd"veduten festgehalten wird (Abb. 2). Hier und in 
den gleichen „vorbildlosen" Gründen der wogenden Ge- 
treidefcldcr ist beobachtete Naturwirklichkeit nicht nur 
Voraussetzung stilgebundener Gestaltung, sondern (viel- 
leicht ungewolltes) Ergebnis. Wie sehr trotz topogra- 
phischer Richtigkeit der beobachtete Naturausscbnitt von 
der Stilform arkadischer Landsehaftskunst umhüllt wer- 
den kann, zeigen die Bergformen des Anningers und des 
Kirchenberges von Müdling (vgl. Abb. 1). 
Hier ist eine topographische Folge entstanden, neu im 
weniger böfischen Gegenstand, modern in der dekorativ 
lebendigen Staffierung und vor allem in der Farbigkeit, 
zukunftsweisend in der zum Teil unverhüllt auftreten- 
den Wiedergabe beobachteter Naturwirklichkeit. Mögen 
das eine und das andere Forderung des Auftraggebers ge- 
wesen sein, Brands Verdienst war es, besonders in den 
Ansichten der Ebene, Naturwirklichkeit nicht als Topo- 
graph, sondern als Künstler bewältigt zu haben, indem er 
die sensiblere Farbigkeit der deutlicheren Naturwieder- 
gabe dienstbar machte. 
Im Akademieaufnahmestück von 1769 - Brand war 1766 
auch zum Hofkammermaler ernannt worden - einer 
„Landschaft mit den Arbeitern im Weinberg" in nieder- 
ländisch-genremäßiger Auffassung (Wien, Akademie- 
galerie) ist von den französischen Stilelementen kaum 
etwas zu sehen. Dieser teilweise Rückfall in die „Manier" 
seines Vaters könnte auf einen Gegensatz der künstleri- 
schen Ansichten bei Hof und an der Akademie schließen 
lassen, ist aber wohl nur ein Zeichen der vom Auftrag- 
geber her geprägten Modernität Brands, was der Stellung 
 
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des Künstlers in jener Zeit und auch Brands Charakter 
entspricht. Denn gerade seit 1766 begann der innere Um- 
bau des Kunstunterrichts im Sinn einer vom Hof gefor- 
derten und geförderten Modernität. Die zentrale Persön- 
lichkeit war Jacob Schmu(t)zer, der von Maria Theresia 
zu Johann Georg Wille nach Paris gesandt worden war, 
von dort das Prinzip des Zeichnens nach der Natur über- 
nahm und für seine Zeichen- und Kupferstecherschule als 
Forderung aufstellte. Franz Edmund Weirotter, Spezia- 
list für Landschaftszeichnen und Schüler Willes in Paris, 
wurde 1767 der erste Wiener Professor in diesem Fach, 
Brand in dessen letzten Lebensjahren (T 1771) Supplent. 
Für Brand bedeutete dies, „ .  Freyen eine Gegend 
nach Grundsätzen perspektivisch aufzunehmen und da- 
mit sogleich das Mahlerische zu vereinbaren..." 7, mit 
anderen Worten die Nobilitierung der schildernden Ve- 
dute zum Bild durch die Stilmittel des französischen Ro- 
koko, wie sie Weirotter unter dem Einfluß Fragonards 
in seinen Aquarellen und seiner Druckgraphik von Paris 
mitgebracht hatte. Abgesehen von den Lehr- und Ver- 
kaufszeichnungen pflegte Brand in diesen Jahren häufig 
eine neue Kunstgattung: Deckfarbenbilder und Aqua- 
relle, besonders in den achtziger Jahren mit der ganzen 
Buntheit Weirotterscher Landschaften, von ähnlicher 
Struktur wie die Jean Pillements, der 1765 für den Hof 
arbeitete, aber weniger nervös und naiv bunter als diese. 
Aus dem Jahr seiner Ernennung zum Professor an der 
Akademie und Nachfolger Weirotters, 1771, stammen 
zwei „holländische" Landschaften Brands (Wien, Öster- 
reichische Galerie), bei denen die rokokohafte Farbig- 
keit eine besonders reizvolle Darbietung des an sich 
höchst konventionellen Gegenstandes (in der Art Wou- 
wermanns) erlaubt. In diesen Sammlerstücken ist wohl 
zum ersten Mal - besonders deutlich bei der Felsen- 
gruppe der „Küstenlandschaft mit Saumtieren" - mit 
dem locker-flockigen, relativ pastosen Duktus des Pin- 
selstrichs und der rosa-beige, graugrünen Farbigkeit 
der malerische Charakter der großartigen „Sandgruben- 
landschaften" technisch voll vorgcbildet. In diesen 
jedoch wird die technisch-dekorative Virtuosität zur 
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