sie ihr Ziel auch noch nicht erreichen konnten, weil sie
es mit der Disziplin nicht so genau nehmen.
Eine der Folgen des Taehismus ist das Suchen nach
dem Gleichgewicht, das sie auf ihren Entdeckungsrcisen
in den Urwald des Unkontrollierten, der Erforschung des
lch in der Welt, noch nicht selbst wieder gefunden
haben. Dafür erfüllen sie ihre Mission aber als Anreger
für diejenigen, die am statischen Prinzip festhalten. Die
informelle Malerei wird nur dann zu einem Ziel führen,
wenn sehr eingearbeitete, phantasiebcgabte, formsichere
und starke Charaktere hinter ihr stehen. jeder andere
Weg, der Weg des Zersetzens ohne zusammenzufügen.
des Lösens ohne zu binden, des Glückspielens ohne
genügend große Reserven, kann diesen Zweig zeitge-
nössischer Malerei nicht weiter, zu keiner Vollendung
führen, die wohl nur in einer Synthese mit der Malerei
jener Künstler erreicht werden kann, deren Bemühen
die Kunst unserer Jahre krönt.
Österreich, das die Malerei immer etwas stiefmütterlich
behandelt und dessen Öffentlichkeit wenig Notiz von ihr
nimmt, hat sich von dem Versuch, neue Möglichkeiten und
Regeln für das Malen in unserer Zeit zu finden, nicht
ausgeschlossen. Es gibt jüngere Maler, die manchen
Einflüssen unterliegen oder vorgesteckte Ziele aufneh-
men, ohne jedoch bis heute die Kraft besessen zu haben,
günstigere Ausgangspositionen einzunehmen - vor
allem auch wohl deshalb, weil sie ihre Aufgabe, ohne
den notwendigen Ernst vermissen zu lassen, zu leicht
nehmen. Der Malerei wird kein neuer Grund geschaffen,
wenn man sich auf einen mehr oder weniger nihilisti-
sehen Standpunkt stellt und einer one-self-Kuxist hul-
digt. Möglicherweise kommt aber ein Arnulf Rainer aus
dem toten Winkel schwarzer Flächen, „monochromcr
Komplexe", aus einem Anfang im Nichts zu einer neuen
Ausgangsposition, die ihm dazu verhilft, über das Wagnis
zur neuen Schöpfung zu gelangen. Unter Umständen fin-
de! auch ein Markus Prachensky aus Rotpinsel-limotio-
nen wieder zur strengeren, kontrollicrteren Form. Oder
Hollegha tastet sich aus einem ähnlichen, suchenden und
noch lange nicht ausstellungsreifen Strichwirrwarr zur
Idee, die allen diesen Versuchen noch so sehr mangelt,
zum Bildeinfall zurück. Vielleicht müssen junge Maler
alle ihre Kenntnisse und Fähigkeiten für eine gewisse
Xuit von sich wcrfcn und Vcrgcxscn, um eines 'l';1_ucs wic
Phönix aus der Asche hervnrzuktcigcn und da: nun schon
wicdur Abgtdrosthunr ihres Handelns und Dunkcnx zu
crkcnncn. Solnngv und wenn ihr Streben nur vom not-
wendigen Ernst hcgluilct ist, bcslchl kein Grund, mit
Slvincn nach ihnen 7.u werfen. Ahrr es wird ein harter"
W}; sein, den sic alle, die noch dcn Verlockungen des
[jn-lirfnhrcncrw unu-rlicgen, zu guhcn haben wcrdun.
1 Hans Hofmann: .,The Prey". Ol, 1956. Hofmann ist einer der Uberzeugendsten unter den Informellen und das hier gezeigte Bild
zeigt eine ausgezeichnete Beherrschung und Konzentration der vom Tachismus angewandten Stilmittel. Derartige gelungene Zeugnisse
gibt es jedoch nicht viele
2 Markus Prachensky. 1959. Aus gitterförmig übereinander gemalten breiten Pinselstrichen, die allzusehr die Gebärde zeigen,
sich jedoch selten zu einem bildhaften Gefüge zusammenschließen, bestehen die Arbeiten Prachenskys. Gelegentlich muten sie wie
chinesische Schriftzeichen an, was an sich nicht gegen sie spricht
3 Simon Hantai: „St. Franeois aux Indes". Ol, 1958. Die Geschlossenheit des Bildraums bleibt noch gewahrt, der nächste Schritt
wird aber bereits ein Linien- und Streifengeflecht mit sich bringen, welches das ganze Bild musterartig überzieht, wie in anderen Bil-
dern des Malers
4 Nicolas de Staöl: "Footballeurs". Ol, 1952. In de Staels Bildern finden sich viele „tachistische" Elemente, die aber wiederum, wie
bei Afrö, in ihrem Elan und ersten Hinschreiben gebändigt und in eine sinnvolle Ordnung gebracht wurden. „Footballeurs" ist eines
der trefllichsten, ausdrucksstärksten Bilder de Staöls
5 Hollegha, Lithographie. 1959. Wie viele Tachisten, so krankt auch flollegha etwas an Erfindungsarmut und am zu starken
Austreten eincs einmal eingeschlagenen Weges
6 Afrö: „Fondo dcgli Olivi". Tempera, 1958. Das Bild enthält nahezu alle Elemente, die das Wesen der informellen Malerei aus-
machen: Spontaneität im Entwurf und in der Gestaltung, eine dynamische Formgebung und jcne typische, der Maltechnik entsprin-
gende Vibration. Aber hier dringt ein starkes und sicheres lormales Bewulitsein durch, das dem Bild seine Eleganz und Geschlossen-
eit verleiht. Nichts Zufälliges ist trotz aller spürbaren Heftigkeit der Malweise da, alles ist geordnet, dem Bildganzen eingegliedert
1 Arnulf Rainer. 1958. Am absoluten Nullpunkt ist Arnulf Rainer angelangt, dessen schwarz bemalte Flächen nur noch an den Ecken
Raum für ein Fleckchen Farbe übrig lassen. Fraglich bleibt, ob er sich damit den Ausgangspunkt für einen neuen, ergiebigeren Vor-
stoß schaffen konnte
8 Pierre Tal Coat: „Lumiere affleurante". Öl, 1953. Auch hier zerfällt die Form, die nicht einmal mehr eine Arabeske, ein Zeichen
ergibt, sondern nur ungcbändigt im Raum umherschwimmende Materie darstellt
9 Jean Fautrier: „L'ilot mauve". Tusch- und Pastellmalerei, 1958. Wir finden hier ein diffuses Nebeneinander von Farben, das sich,
wie aus der Abbildung klar ersichtlich wird, an keine Form bindet. Es ist Malerei, aber kein Bild - es ist zu sehr Materie und zu
wenig Geist
10 Alfred Manessier: „Pres d'Harlem". Ol, 1956. Manessier ist einer der bedeutendsten Gegenstandslosen, in dessen Werken sich
die größere Überzeugungskraft des „gestalteten" Bildes klar manifestiert. Es enthält deswegen kaum weniger Spannung und Kon-
zentration, als gute Leistungen der Taehisten
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