IN UNSERER REIHE
,.VERBORGENE KUNSTSCIIÄTZE
IN ÖSTERREICH" BRINGEN WIR
DEN ERSTEN BEITRAG
DIE
WALLFAHRTSKIRCHE
HIMMELFAHRT MARIÄ
IN FRAUENKIRCHEN
Ein Kleinod barocker Kunst
WILHELM MRAZEK
Unsere Gegenwart versucht, die Folgen der Kriegsjahre
nach und nach wieder gutzumaehen, Verwüstetes wieder
herzustellen und Zerstörtes neu aufzubauen. So war es
auch in Österreich zu Ausgang des 17. Jahrhunderts, als
der Ansturm der Türken vor den Wällen von Wien zum
Stehen kam, und die österreichische Armee unter Prinz
Eugen den Feind bis weit nach dem Osten zurück-
schlagen konnte.
In den folgenden Fricdensjahren setzte dann in den vom
Krieg verwüsteten österreichischen und ungarischen Län-
dern eine rege Bautätigkeit ein, die vor allem von fürst-
lichen Bauherren, die der „Bauwurmb" plagte, veranlaßt
wurde. Neben Residenzen und Lustschlössern entstanden
auch überall Kirchen und Klöster als „Dankesopier zur
höheren Ehre Gottes" und Österreich schien in jenen
Jahren durchaus ein „Klösterreich" werden zu wollen.
Dieser Situation und einem solchen fürstlichen Bau-
herren verdankt Kirche und Franziskanerkloster von'
Frauenkirchen im Burgenland das Wiedererstehen aus
den Trümmern, die die Türkenzeit hinterlassen hatte.
Ein alter, kolorierter Kupferstieh vom Beginn des
18. Jahrhunderts vermittelt wohl am besten die Bedeu-
tung dieses Ereignisses für jene Zeit. Unter einer himm-
lischen Gloric zeigt er die dominierende Westiassade
einer zweitürmigen Basilika, um die sich die in beschei-
denen Proportionen gchaltenen Nebengebäude, das Klo-
ster, die Kapellen und ein Kalvarienberg. wie Kückcn
um eine Glueke gruppieren.
Schon seit uralten Tagen hatte Frauenkirchen, das ur-
sprünglich Fraukirchen hieß, den Ruf eines hervorragen-
den Wallfahrtsortes besessen, vor dessen Gnadenstatue,
einer Muttergottes mit Kind aus der Mitte des 14. jahr-
hunderts, sich viele wunderbare Heilungen und Gebets-
erhörungen vollzogen hatten. Patronatsherren dieser
Wallfahrtskirche zur Himmelfahrt Mariä stellten seit
dem Jahre 1622 die Familie Esterhäzy. Der Bauherr der
neuen Kirche war der im Jahre 1635 in Eisenstadt ge-
borene Paul Esterhäzy, der im Jahre 1687 wegen seiner
großen Verdienste den Titel eines Fürsten des römischen
Reiches erhalten hatte. Diese Fürstenerhebung war mit
ein Grund, der Muttergottes seine Dankbarkeit zu erwei-
sen und an Stelle der schon wiedererrichteten Kirche
eine, der neuen Würde entsprechende, große Basilika in
jenem „neusten Gout" zu erbauen, der sich mit Hilfe der
italienischen Baumeister in der Haupt- und Residenzstadt
Wien bereits durchgesetzt hatte und den erst die fol-
genden Zeiten als Barockstil bezeichneten.
Der Bau muß dem Fürsten besonders am Herzen gelegen
haben. Seit seiner frühesten Jugend war er ein glühender
Verehrer der Muttergottes. Er, der selber achtund-
fünfzigmal nach Mariazell gepilgert war, wollte auch
auf seinem Territorium der Muttergottes ein zentrales
Heiligtum errichten. Der Kupferstecher hat dies deut-
lich auf seinem Blatte herausgestellt. In der Wolken-
gloric über der Kirche, in deren Mittelpunkt ein Abbild,
des Gnadenschreines vom Hauptaltar gesetzt ist, schwe-
ben Engel mit Wappenkartuschen, die mit lateinischen
Sinnsprüchen auf die Tugenden der Muttergottes und
Paul Esterhäzys versehen sind. Unter dem Schrein fliegt
ein Adler mit einem Medaillen, welches das Porträt des
Bauherrn zeigt und das von einem symmetrischen
Spruchband umgeben ist. Die groß gedruckten Buch"-
staben der Beschreibung ergeben ein Chronogramm mit
der Jahreszahl der Einweihung 1702, die Inschrift selbst
aber verkündet, daß dieser herrliche Tempel mit Hilfe
der Jungfrau, der allerheiligsten Helferin und himm-