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kommen, dem er sich dann nach Würzburg
anschloß, um dort die an der Akademie
erworbenen Kenntnisse zu verwerten. 7
Die Beantwortung aller dieser Fragen
werden Weitere Forschungen zu erarbeiten
haben. Die Biographie dieses bedeutenden
österreichischen Architekten ist längst
fällig.
Vielleicht vermag aber doch Hefeles erstes
Werk, der Sonntagberger Altar, einige
Hinweise zur Entwicklung des Künstlers
vom Zeichner zum Architekten zu geben.
- Es besteht kcin Zweifel, daß das Modell
für den Rahmen des Gnadenbildes stilistisch
eindeutig nach Würzburg weist. Mit Über-
raschung wird man aber feststellen, daß
die dortigen Vcrgleichsbeispiele weniger
unter den Oeggkchen Gittern als vielmehr
unter den Stukkaturcn und Verzierungen
der Plafonds und Boiserien der Parade-
zimmer zu finden sind.
Dem Fortgang der Innenausstattung fol-
gend und unter Berücksichtigung der ver-
mutlichen Dauer von Hefeles Aufenthalt
in Würzburg von 1737 bis 1742 kommen
die Dekorationen folgender Raume als
Anregung oder Vorbilder in Betracht. Die
ersten verwendeten Formen finden sich
unter den vergoldeten Zinnrahmen an den
Fenstergewänden des Venezianischen Zim-
mers; sie sind noch der Regence zuzu-
ordnen (ausgeführt von Johann Rudolf
Byß 1738)14. - Von den Rokokczimmern
der Residenz bietet vor allem das Spiegel-
kabinett, und da wieder besonders die
Dekoration der Decke, reiches V ergleichs-
material (entworfen von Antonio Bossi
1740, von ihm ausgeführt 1741) 15. - All-
gemein kann man sagen, daß der Rahmen
Weniger mit den zarten, graphisch aufge-
faßten Stukkaturen des Thronsaales (aus-
geführt von Antonio Bossi 1740)16 oder
des I. Alexanderzimmers (entworfen von
Antonio Bossi, ausgeführt von Gesellen
um 174O)17 übereinstimmt, als vielmehr
mit den plastisch durchgebildetcn Kompo-
sitionen des Spiegclkabinetts, den Schnitze-
reien des Thronsaales (vor allem mit den
Rahmungen des Kamin- und des Pfeiler-
spiegels, entworfen von Ferdinand Hund
1740, von ihm ausgeführt 1741[42)lß und
in gesteigertem Maße mit den Stukkaturen
des Weißen Saales oder „Sallc des Gardes"
(ausgeführt von Antonio Bossi 1744).
Die Verwandtschaft des Modells mit den
Rahmungen und Kartuschen des Weißen
Saales läßt sich nur so erklären, daß doch
manches davon im Entwurf schon vor-
handen War, ehe Hefele Würzburg verließ,
oder daß er zwischen 1742 und 1745 noch
einmal kurzfristig in die fränkische Resi-
denzstadt kam.
Die Gegenüberstellung des Rahmen-
modells mit den ihm stilistisch und formal
nahestehenden Würzburger Zicrformen hat
ergeben, daß die nächsten Vergleichs-
beispiele auf dem Weiten Feld der Innen-
raumgestaltung, also im architektonischen
Bereich, anzutreffen sind und weniger auf
dem Gebiete der Schmiedekunst, wie man
es zunächst vermuten würde. Diese Um-
stände scheinen doch darauf hinzudeuten,
daß der Aufenthalt in Würzburg für Hefele
die entscheidende Wendung gebracht hat.
Es wird wohl so gewesen sein, daß die
Beteiligung an einem derart bedeutsamen
architektonischen Unternehmen, wie es der
Bau der Residenz war, und die Arbeit unter
einem Baukiinstler vom Range eines Baltha-
sar Neumann in Hefele den Entschluß
reifen ließ, selbst den Beruf des Architekten
zu ergreifen. Aus der Ähnlichkeit des
Sonntagbcrger Rahmenmodells mit Deko-
rationen in Würzburg kann man erkennen,
mit welchem Interesse der junge Künstler
den Fortgang des Residenzbaues verfolgte,
Wie sehr er darauf bedacht war, Erfahrungen
zu sammeln, die ihm für die Zukunft von
Nutzen sein konnten, wenn er einmal sein
Ziel erreicht hätte. Darum ging er nach
Wien, um sich zunächst einmal als „Cer-
tant" um den Architekturpreis zu bewerben
und dann den einmal eingeschlagenen Weg
weiter zu verfolgen. Daß er bei seinem
ersten Auftrag gerade an so prominenter
Stelle, wie bei der Gestaltung des Rahmens
für das Gnadenbild, Ornamente verwendete,
die er von Balthasar Neumanns Bau im
Gedächtnis behalten hat, könnte man bei-
nahe als ein „hommage ä Würzburg" be-
zeichnen, in Erinnerung an seine dortige
Tätigkeit und damit an einen Lebens-
abschnitt, der für seine Laufbahn die ent-
scheidende Wendung gebracht hatte.
ANMERKUNGEN 8- 19
l Die Restaurierung erfolgte im Auftrag des Stiftes Seiten-
sterten, unter der Oberaufsicht des Bundcsdenkmalamtes,
durch akad. Restaurator Michel Pfaffenbichler und seine
Mitarbeiter. - Soweit es mir möglich war, den Silber-
rahrnen am Altar in Sonlitagberg zu messen, sind seine
Maße ungefähr: Höhe: 240cm, obere Breite: 215 cm,
untere Breite: 187 cni. Die handwerklichen Angaben
zum Rahmen verdanke iCh Herrn PfafTenbichler.
9 Archiv Seitenstetten, 46 U, Fasz. 2.
m Rudolf Guby, Melehiur Hefelu, ein vergessener Wiener
Architekt, in: Monatsblatt des Altertums-Vereine: zu
Wien, 35. Jg. (1918). s. 113. - Wilhelm Brenner, Melchior
Hcfele, ein unvergessener österreichischer Architekt
(1116-1794), in: Alte und moderne Kunst, 11. Jg. (1966).
Heft 8B, S. 19; dort weitere Literatur.
11 Archiv Seirenstcucxi, 46 B. Fasz. 2.
12 Archiv der Akademie der bildenden Künste: Protokoll
über die Preisverleiliuligeli.
u Archiv der Akademie der bildenden Künste: 1745 fol. 16 v.
14 Richard Sedlmaier Rudolf Pfister. Die furstbiscliofliche
Residenz zu Würzburg, München 1923, S. 98K, 111;
Tafel 93, 166. 167; Zcitrafc] V. S. 245.
A. a, 0., S. 11411; Tafel 103, 141; Zeittafcl lX, S. 250.
A. a, , S. 111 Tafel 95, 140; Zeittafel Vll, S. 249.
A. a. 0., 5.11111;TafCl138;ZeittafelVl, S. 249.
A. a. (7., T2fel96, 151.
A. a. O. S. 116f.; Tafel 78- B7 143: Zeittafel XI, S. 252.
D2 Bossi im Mxirl 1744 her Zicrate in Gips gießt,
im April die Mitrelrusette am Gewolbe fertig isr und die
Stukkaruren ober dem Gesims mit Kohle vorgezeichnet
und begonnen sind, überhaupt die ganze umfangreiche
Arbeit sehr rßch vonstatten geht, könnte angenommen
werden, die dazugehörigen hnrwürfe seien wenigstens
zum Teil oder als erste ldecnskizze schon einige Zeit
vorher von Bossi angefertigt worden.
s 13m1 des Modclls, Abb. s
s Mcistennarke Joseph Wilhelm man: vom Sonntagberger
Silberrahmcn
XWenn auch hier - wie schließlich in
allen aufgezählten Fällen - von einer
wörtlichen Wiederholung nicht die Rede sein
kann, so ist doch im Grundsätzlichen, in
der Tendenz zu Plastizität, dynamischer
Bewegung - wie sie in den temperament-
vollen Schwüngcn und Gegenschwüngen
zum Ausdruck kommt - und zu präzisester
Durchgestaltung aller Einzelheiten unleug-
bar eine weitgehende Gleichartigkeit zu
verzeichnen. Aber gerade bezüglich des
Weißen Saales gibt es zeitliche Schwierig-
keiten. Die Dcckcn- und Wanddekoration
entstand zu einer Zeit, als sich Hcfele, wie
vermutet wird, bereits in Wien aufhielt 19.