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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 4)

allem auf reiche Spitzen, und sich als Reiter und Kriegs- 
mann zu geben, anstatt der zeitentsprechenden Mode zu 
folgen, die in den fünfziger Jahren gerade im Gegensatz 
zum einfachen soldatischen Schnitt die reich ge- 
schmückte eigenartige Form der rockartigen Hose, der 
sogenannten rhingrave, bevorzugte. wie sie sein Neffe 
Graf Leonhard Ulrich auf seinem nur drei Jahre später 
entstandenen Bild trägt (Abb. 7). 
Die höfische festliche Kleidung der dreißiger Jahre da- 
gegen führen die beiden Porträts der älteren Brüder 
Franz Albrechts, der Grafen Leonhard Karl (Abb. 2) 
und Otto Friedrich (Abb. 3) vor Augen. Bei einfachem 
Schnitt boten sich der reichen Ausstattung, vor allem 
durch Stickerei und Spitze, große Möglichkeiten. Der 
breit auf die Schultern herabfallende sogenannte wallo- 
nische Kragen und die Manschetten sind es, in denen der 
Spitzenluxus sich in der Herrenmode ebenso entfalten 
konnte wie bei den Damen. Vom einfachen Leinenkragcn 
mit sparsamer Durchbruchstickerei bis zu den üppigsten 
Formen kostbarer Spitzen waren dem Modeluxus hier 
keine Grenzen gesetzt. Mit ihrer feinen und doch kräf- 
tigen Struktur waren es allen voran die venezianischen 
Nähspitzen, mit denen der größte Aufwand getrieben 
wurde. Denkt man an Kavalierc des französischen Hofes, 
die sich, allen Luxusverboten zum Trotz, rühmtcn, den 
Gegenwert ganzer Landgüter oder Weinberge in ihren 
Spitzen an sich zu tragen, so muß man die hier verwen- 
deten, wie sie die Abbildungen 4, 5 und 6 zeigen, wohl 
als gemäßigten Aufwand bezeichnen. 
Der weit über die Schultern herabreiehende Kragen bil- 
dete aber nicht nur durch seine kostbare Ausführung 
einen Blickfang der männlichen Kleidung, sondern seine 
Form bestimmte auch wesentlich die der spanischen 
Tracht geradezu entgegengesetzte gesamte Modelinie, 
die nun die völlig einheitliche Umrißgestaltung der 
ganzen Figur anstrebte. Besonders den zuvor markant 
betonten Winkel der Schultern half nun der Kragen aus- 
zugleichen; als Ergänzung kam gleichzeitig die lange 
Haartracht der Männer auf, die diese fließende Kontur 
und die abfallende Schulterlinie noch weiter verstärkte. 
S0 ähnlich in Schnitt und Dekoration die Kleidung der 
Grafen Leonhard Karl und Otto Friedrich ist, cnt- 
spricht doch gerade was die Silhouette betrifft, der 
letztere der Mode zwischen 1630 und 1640 völlig, wäh- 
rend der andere vor allem durch die Haartracht etwas 
altertümlicher wirkt. „Cadenettes" nannte man am 
französischen llof die auf der linken Schulter lang herab- 
fallende Haarsträhne, die mit kleinen Maschen und selbst 
mit Juwelen geschmückt wurde (Abb. S). 
Die Abkehr von der spanischen Tracht vollzog sich im 
Männerkostüm bedeutend früher und radikaler als in 
der Damcnmodc. Auch bei Mitgliedern der gleichen 
Generation zeigt die Kleidung Unterschiede, die einem 
zeitlichen Unterschied von etwa dreißig Jahren entspre- 
chen würde. S0 trägt die Herzogin von Friedland (Abb. 
auf Seite 10), die Schwester der drci Grafen Harrach 
eine Mode, wie sie bereits um 1600 getragen wurde, die 
noch völlig im Zeichen des strengen spanischen Schnit- 
tes steht, mit der großen einfachen Halskrause und dem 
ganz eng und flach geschnürten Leibchen, wie es aller- 
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