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teilung, wie sie die Porträts der älteren Generation noch
in den aufgeschlitzten Ärmeln bewahrt hatten, ist nun
der einheitlichen geschlossenen Form gewichen. Der cin-
fach geschnittene Rock, der die Weste und zum größten
Teil auch die Hose verdeckt, bot reichen Stoffen und vor
allem einer üppigen Stickerei Gelegenheit zu voller
Entfaltung.
Der wesentliche Wandel. der den Gesamteindruck des
Kavaliers am Ende des I7. Jahrhunderts entscheidend
veränderte, vollzog sich in der Haartracht und der da!
mit wieder eng zusammenhängenden Form des Kragens.
Schon Ludwig XITI. hatte sich der Perücke bedient, die
um 1700 ihre größte und reichste Form in der Allonge-
perücke erhielt. Die reiche Fülle des kunstvoll gelock-
ten Haares, das weit über die Schultern herabreichte,
beraubte den breiten Kragen seiner Wirkung. Sein Er-
satz, auch was die luxuriöse Verwendung von Spitzen
anlangt, wurde die Krawatte, deren breite finden in dem
oben geöffneten Rock sichtbar werden. Bis zur Mitte des
18. Jahrhunderts sind die feinsten und schönsten Meister-
werke der französischen Näh- wie der niederländischen
Klöppelspitzen für diese Krawattenenden und Man-
schetten geschaffen worden.
Es ist eigenartig zu beobachten, wie in demselben Zeit-
raum, da die Herrenmode zu voluminöserer Gestaltung
fortschreitet, für die Damen die schmale Silhouette auf-
kommt. Die breite Frisur, der weit abstehende Kragen
und der von den Hüften ausladende Rock weichen den
hängenden Lockemdem breiten Decellete und dem unver-
steift in Falten gelegten Rock. Das Bildnis der Schwester
des Grafen Ferdinand Bonaventura, Maria Elisabeth Grä-
fin Waldstein (Abb. 8) zeigt vollendet die elegante
schmale Modelinie. ln der allegorischen Auffassung des
Porträts als Diana entspricht sie einem weitverbreiteten
Typus, auch in der betont einfachen Ausführung des
Kleides ohne Stickerei und Spitzen. Bezeichnenderweise
entspricht das Kleid demjenigen, das die Kaiserin
Claudia Felicitas auf ihrem 1672 datierten Bildnis
von Carlo Dolci trägt. Entgegen der sonst so ge-
ringen Wirkung, die Kleiderverordnungen und Lu-
xusverbote an den europäischen Höfen ausübten, könnte
man in diesen Kleidern, die selbst den Rand des
Ausschnittes nur mit einem einfachen Batisttuch dra-
pieren, den Niederschlag des schon 1633 von Lud-
wig XIII. erlassenen Spitzenverbotes sehen, wie es
Abraham Bosse in einer Reihe von satirisch gefärbten
Stichen illustriert hat, die die Hofgesellschaft zeigen,
die ihren reichen Spitzenschmuck ablegt und sich dem
königlichen Gebot folgend ganz einfach kleidet.
Ein eigenartiges Bild ergibt sich beim Vergleich dieses
Kleides mit denen, die die Gräfin johanna Thcresia, Ge-
mahlin des Grafen Ferdinand Bonaventura und ihre
Tochter Maria Josepha auf ihren Bildnisse-n tragen.
Allein nach den Lebensdaten der Dargestellten (geb.
1664) kann das letztere (Abb. 9) nicht vor 1680 entstan-
den sein. Von der einfachen Frisur mit seitlichem Schei-
tel und breiter Schmuckspangc über den Schnitt des
Kleides bis zur Form und Anbringung des Schmuckes,
der großen Brosche und der am Mieder angehängten Uhr
stimmt jedoch dieses Bild mit dem Porträt der Herzogin
von EI Infantado aus dem Jahr 1655 überein, zeigt also
eine Mode, wie sie in Spanien eine ganze Generation
früher getragen wurde. Nur in Einzelheiten, wie dem
schweren Relief der Spitzen, verrät sich die späte Ent-
stehung, die modische Gesamterscheinung dagegen
würde es nahclegcn, dieses Bild zeitlich eher noch vor
das der Gräfin Waldstein einzuordnen, aber keineswegs
wesentlich danach. Angesichts der mehrfachen jahre-
langen Aufenthalte des Grafen Ferdinand Bonaventura
als kaiserlicher Gesandter in Madrid, möchte man hier
wohl an eine unmittelbare Übernahme spanischer Mode
denken. Betrachtet man dazu das Bildnis der Mutter der
Gräfin Maria josepha, johanna Theresia (Abb. 10), so
wird der Unterschied besonders deutlich. Die schmale
hochaufgetürmle Frisur, in Paris seit den achtziger
jahren als Fontange bezeichnet, der tiefe, von einer
zarten Spitze umsäumte Ausschnitt, die bis zum Ella
bogen verkürzten Ärmel, mit gefältelter Spitze besetzt,
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