MÄZEN UND SAMMLER HEUTE
JORG LAMPE
WERKE ALTER MEISTER
UND ZEITGENOSSISCHER KUNST
IN EINER WIENER WOHNUNG
ER
Die zwar häufigen, aber etwas voreiligen Nachrufe auf
das private Mäzenatentum laufen samt ihren soziolo-
gischen Begründungen in der Regel darauf hinaus, daß
man die „öffentliche Hand" als seinen legitimen Erben
sanktionieren möchte. Liegt jedoch der individuelle Mä-
zen tatsächlich bereits in Agonie oder gar unter den
Trümmern der Vergangenheit begraben?
Gewiß, die großen herrschaftlichen Lebensumstände der
Renaissance und des Barock, die einer kulturellen Re-
präsentation und damit auch einem weitsichtigen Mä-
zenatentum die Wege ebneten, sind unwiederbringlich
dahin. Schon die Reichen aus der ersten Phase des Indu-
striezeitalters hatten nicht mehr die gleiche Haltung
und Muße, auf deren Boden es wie von selbst gedeiht.
Die „Tatsaehen" wurden zunächst einmal stärker als die
„Form" und standen gegen sie, was der Kultur nicht
ausgesprochen dienlich ist.
Erst recht engen dann der Massen-Wohlfahrtsstaat von
heute sowie die technische und soziale Durchorganisation
der Allgemeinheit, die ja nur der amorphe Grundstoff
der „GesellschafW ist, die Basis und Initiativ-Potenz des
Mäzcnatentums beträchtlich ein. Die Wohnraumver-
knappung, die Hetze im modernen Existenzgetriebe, der
Magnetismus des technischen Komforts und damit das
fortschreitende „Gewöhnlichwcrden" in Ider Selbst-
behauptung und in den Genußbedürfnissen des modernen
Durchschnittsmenschen sind deutliche Indizien hierfür.
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