Im Jahre 1763 hat Johann Bergl, ein aus „Böheimb ge-
bürtiger" Wiener Maler, vom Melker Abt Urban II. den
Auftrag erhalten, das im Gartentrakt des Stiftes en-
bautc „Lust-Haus" mit Fresken zu schmücken.
Nach Beratung mit dem Auftraggeber entschloß sich
Johann Berg] für den großen Ovalsaal und einigen klei-
neren Ncbenräumen, einen Themenkreis zu malen, der
ihm besonders gelegen war und worin er bereits Er-
folge aufzuweisen hatte. Und so schmückte er die Decke
des großen Saales mit dem Triumph des Lichtes, den
vier Jahreszeiten und mit den vier Weltteilen. An den
Decken und Wänden der Nebenräume aber malte er
exotische Szenen, Pflanzen, Tiere und Menschen des
fernen Ostens und Westens, wie er sie kurz vorher im
kaiserlichen Luslschloß St. Veith bereits gemalt hatte.
Unter den Weltteilen kam Europa der vornehmste Platz
zu. Bergl malte sie gegenüber dem Eingang, im Norden,
und umgab sie mit einem großen Gefolge von Friedens-,
Kriegskünsten und Wissenschaften. Folgend dem grie-
chischen Mythus vom Raube der Europa, thront sie auf
dem Rücken eines bekränzten Stieres. Damit durchbrach
Bergl das übliche Schema, das Europa immer mit dem
Pferd darstellte. Aber auch den übrigen Wcltteilen, Afrika
im Süden, Asien im Osten und Amerika im Westen, ord-
ncte er andere Tiere zu als allgemein üblich war. Aber
gerade durch diese Freiheit gewinnt seine Invention
einen zusätzlichen poetischen Reiz. Diese Weltteile sind
eben nicht einem wissenschaftlichen Weltbilde entsprun-
gen, sondern der Phantasie eines barocken Künstlers, der
dem Theatralingenieur verwandter ist als dem nüch-
ternen Topographen.
Über der Europagruppe, aufsteigend bis zum Decken-
miltelpunkt, wo eine vom Tierkreis mit den Monats-
zeichen der hellen Jahreszeiten überwülbte Sonnen-
seheibe im Himmelsraume leuchtet, hat Bergl die vier
Jahreszeiten gemalt. Dem Erdbereiche zunächst den
alten, geflügelten Nordwind und einen kleinen Wind-
putto, die beide aus vollen Backen Schnee und Regen
über Europas nordwestliche Gefilde blasen.Darüber den
Winter mit gesenkler Fackel und weiter nach oben den
Ilerbst mit einem Füllhorn und den Sommer mit einem
Ährenbündel. Dem Lichtzentrum zunächst aber fährt der
reichbekränzte Frühling in einem Triumphwagen dahin.
Johann Bergls künstlerische Lösung, seine hellen und
leuchtenden Farben, die von der Sonnenscheibe der
Deckenmitte nach unten zu immer kräftiger, bunter wer-
den, und die kompositorische Anordnung zeigen ihn als
einen echten österreichischen Künstler. Bis ins kleinste
Detail atmet alles eine beschwingte Heiterkeit und ist
alles ein „irdisches Vergnügen in Gott".
Eine solche farbige Welt diente in erster Linie der
„Lustbarkcit und Anmut". Damit hat Johann Bergl in
allem dem Wesen und der Bestimmung eines barocken
„Lust-Hauses" oder „Maison de plaisance" entsprochen.
Er gab der harmonischen Architektur des Melker Gar-
tenhauses ein heiteres und leuchtendes Innen, das es zu
einem besonderen Juwel österreichischer Kunst macht.
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