Wer durch das von Paul Klee geöffnete Tor „zum Ur-
grund der Schöpfung" schreitet, dem tun sich unzählige
Wege auf; Bischoffshausen hat den einer immer weiter-
gehenden Vereinfachung der Mittel und Konzentrierung
auf das Wesentliche gewählt.
Frühe Bilder, in denen sich in farbig abgestuften Ritu-
men naturhafte Gebilde, der eigenen Kräfte noch nicht
bewußt, zu einer Bewegung formen, sind aus der Begeg-
nung mit Paul Klee zu verstehen; sie sind von maleri-
scher Kraft durchpulst und haben viele poetische Stim-
mungswerte. (Abb. 1.)
Von dieser raffinierten Ausdrucksweise wendet sich
Bischoffshauscn reliefartigen Strukturen in körnigen,
kompakten, die Fläche betonenden Bildgründen zu. Nun
bedient sich der künstlerische lmpuls einer primitiven
Sprache; Erinnerungsbilder an Landschaftsdarstellungen
mit magischen Vorzeichen, aber auch ostasiatische Im-
pressionen leben auf. (Abb. 2.) Hier sind zweifellos die
Anfänge späterer Strukturbilder zu suchen, in denen die
„Sichtbarmachung von Urerlebnisscn" zum Durchbruch
kommt.
Eine neuerliche Wendung zur Farbe tritt in Bildern auf,
in denen farbige Flächengebilde mit körniger Materie
- es werden nun Sand und Asphaltbeimischungcn ver-
wendet - dominieren. Explosive Kräfte werden frei und
bringen Unruhe in das lockere Gefüge. (Abb. 3.)
Das Streben nach Ballung und Konzentration führt zu
energiereichen Zentren, die Streuungen in den übrigen
Bildraum senden, ihn beleben und an das Ganze binden.
Diese Phase erreicht einen malerischen Höhepunkt in
der „Partitur 1958", dem Bilde, das mit dem joanneum-
kunstpreis ausgezeichnet wurde. In dem durch Furchen
und Klüfte aufgewühlten Bildgrund werden die mit dem
Chaos ringenden Kräfte durch cin mystisches Blau an
ein Zentrum gebunden, eine Komposition, die dem Be-
schauer das Miterleben der tieferregcnden Weltsituation
geradezu aufzwingt. (Abb.6,) Durch dieses Ausrichten
der Kräfte auf eine Mitte überwindet Bischoffshausen den
Tachismus, der ihn nur kurze Zeit beschäftigt hatte.
Denn das Bemühen um Klarheit bringt Ordnungen mit
straffen Gefügen hervor, die von hellen zu dunklen Tönen
oder umgekehrt abgestuft sind, farbig äußerst differen-
zierte Gebilde im Mittelpunkt des monochromen Bild-
raumes. Reliefartig strukturiert erinnern sie in Einzel-
formen an Diagramme und an Zeichen der Vorzeit,
„Splitter, Risse, Körnung, Grate, sind als Tasterlebnisse
die ersten Fossile des Geistes in der frühesten Schicht
unseres kollektiven Bewußtseins", so interpretiert der
Künstler selbst. (Abb. 4.)
Auf der Suche nach den Wurzeln des menschlichen Gei-
stes entstehen die „geschriebenexf Bilder, bei denen auf
farbige Aussage verzichtet wird. In musikalischen Rhyth-
men fließende Zeichen sprechen von äußerst sensiblen
seelischen Vorgängen. (Abb.5.) Transparenter noch und
unmittelbarer sind die auf weißem Papier mit dem
Tuschepinsel gearbeiteten Bilder, die in der Kunst der
Zeichensetzung jenen Ostasiaten sehr naht-stehen, die,
etwa wie Zao Wuki in Paris, zu einer Synthese mit der
westlichen Kunst gekommen sind. (Abb. 8,)
Bei der unmittelbaren Zwiesprache mit der Welt, die
sehr oft zu einer beunruhigenden Auseinandersetzung
mit den Dingen führt, zeigt sich bei Bischoffshausen,
daß auch für ihn, wie für viele andere, die Mittel und
Materialien der Malerei nicht mehr ausreichen. Die
Farbe wird dem Zeichen zur Gänze geopfert und die
bewegten und gekurvten, im Schriftrhythmus die Viel-
falt der Erscheinungen spiegelnden Linien werden zu
urbildlichen Zeichen, deren magische Kraft den Verzicht
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