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Radischken (543 Meter) und Kreuzberg (584 Meter) im Halbkreis zurücktreten, umkränzt
von Obst- und Weingärten liegt die Stadt auf der Terrasse des rechten Flußufers, überragt
von schlanken Thürmen und stattlichen Gebäuden. Leitmeritz besitzt unter den einheimischen
Städten einen der größten Marktplätze, welcher von alterthümlichen Häusern, darunter
einem ehrwürdigen Rathhause, umgeben, einen überraschenden Anblick gewährt. Hier
finden wöchentlich große, für die Gegend tonangebende Getreide- und Obstmärkte statt.
Auch auf der Elbe wird nun die Schiffahrt belebter, und schon vor alter Zeit war hier
ein Hauptstapelplatz des Elbehandels.
Bei Leitmeritz beginnt das Paradies Böhmens, wie man das Elbethal zwischen
Lobositz und Tetschen nennt, und in der That, es verdient diesen Namen im vollsten Maße.
Zlvar vermag das Elbethal jene erhabenen, großartigen Landschaftsbilder, die das Thal
des Rheins zwischen Bingen und Bonn auszeichnen, nicht zu bieten, aber an Anmuth und
Lieblichkeit steht es jenem vielgepriesenen Landstrich nicht nach. Welche Pracht und Schönheit
entfaltet unser Elbethal im Frühling, wenn die Obstbaumwälder, die hier üppig gedeihen,
mit duftendem Blütenschnee überdeckt sind und die frischgrünen Reben unter dem neu-
belaubten Wald auf den Höhen die Abhänge hinanklimmen, oder im Herbst, wenn sich die
Äste unter der Fülle goldener, rothwangiger Früchte zur Erde beugen, wenn die reifen
Trauben aus dem Weinlaub hervorlugen und die September-Sonne den sich färbenden Wald
vergoldet, mit all den lachenden Dörfern und Ortschaften, die sich dazwischenschmiegen.
Von Leitmeritz fließt die Elbe noch eine Strecke nach Westen, bis sie bei dem
gewerbereichen freundlichen Städtchen Lobositz plötzlich nach Norden umbiegt, um nun
das böhmische Mittelgebirge zu durchbrechen. Wie ein Paar mächtige Pylonen ragen rechts
und links vor der Elbepforte bei Großtschernosek die Kegel des Radobil (398 Meter) und
des Lobosch (572 Meter) empor. Zwischen ihnen hindurch bricht sich die Elbe den Weg
durch eine Scholle von Gneiß- und Hornblendgestein, die dereinst wohl zum Erzgebirge
gehörte. Viel Merkwürdiges bekommt überhaupt der Geologe zu sehen und sein Hammer
hat viel zu thun, wenn er das Elbethal durchwandert. Nachdem sich der Fluß durch die
rebenbewachsenen Höhen, welche einen berühmten Wein — den Tschernoseker — liefern,
hindurchgezwängt hat, wird das Thal breiter und freier, der Libochowaner-Kessel
mit seinen freundlichen Dörfern und Gehöften, nordwärts durch die Kuppen des Deblik
(458 Meter) und Scheiberges (362 Bieter) geschlossen, thut sich auf. Dann bleibt die
Elbe bis Aussig zwischen hohen Bergen eingeengt, die bald mit Wald, bald mit Reben
bepflanzt in malerischen, wechselvollen Gestalten an den Fluß herantreten. Auch auf dieser
Strecke durchwanderten wir freundliche, in Obstbaumwälder versenkte Dörfer — das Elbe
thal ist ja die Obstkammer, aus der ganz Norddentschland versehen wird. Nun thut sich
vor unserem Blick eine volle und echte Nheiulandschaft auf. Unter den steilen Abhängen