Das entindividualisierte und amorphe Baumaterial Beton ist damit nicht nur zum legi-
timen, sondern auch zum signifikanten Baustoff unserer Gegenwart geworden, dessen
Weiterentwicklung und Bedeutung für die Zukunft noch nicht abzusehen ist.
Neben der fortschreitenden chemisch-technischen Verbesserung des Betons wurden aber
auch unter den Händen namhafter Architekten seine ästhetischen Qualitäten immer
hewußrer gehandhabt. Die Steifheit früher Betonbauten und -formen verwandelte sich im
Laufe der Zeit zu nahezu organischen Gebilden und Skelettformen. Le Corbusicr wieder
bevorzugte bei seinen Bauten den Schalenbeton, d. h. die zufälligen Abdrücke an der
Oberfläche, die die Schalung hinterläßt, und die zusammen mit blockhaften Formen
dem Beton die Kraft und Ursprünglichkeit eines natürlichen, gewachsenen Materials zu
gehen schienen. Er war der Überzeugung, daß es durch die Erscheinungsform eines rohen
Sichtbetons - eines „beton bruW-möglich ist, den Beton „als einen neugeformten Stein
aufzufassen, der in seinem natürlichen Zustand gezeigt werden darf".
Diese „expressionistischä Auffassung stellte jedoch keine endgültige ästhetische Lösung
dar. Denn gerade diese Zufallsergebnissc wurden vielfach als häßlich und unansehnlich
empfunden und man begann daher den Schalenbeton mit Natursteinen zu verkleiden.
Diese fragwürdige und dem Grundsatz der Materialgerechtigkeit entgegengesetzte Lösung
lenkte das Problem der ästhetischen Ausdruckswerte des Sichtbetons in eine neue Rich-
tung. Man versuchte, Betonsteine als Verkleidungsmaterial zu verwenden, die maschinell
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