gen Bildauffassung, die Gauguin im wesentlichen schon
in Frankreich entwickelt hatte, aber erst hier zur vollen
Entfaltung brachte.
Die totemartigen Plastiken der Südseegötter müssen ihm
wie Vorstufen seines Wollens erschienen sein, und er
begann monumentale Schnitzereien auszuführen. In der
Bretagne hatte er sich mehr an kleineren Objekten, Holz-
schuhen, Pfeifen, Spazierstöcken, aber auch Keramiken
versucht, auf Tahiti, das 01'189} völlig mittellos veif-
lassen mußte, entstanden Plastiken von monumentaler
Wucht. Und noch eine Technik war für Gauguin inter-
essanter geworden: Der Holzschnitt. Die Blätter der
Jahre 1894 und 1895, die Gauguin, Dank einer Erb-
schaft, sorglos, allzu sorglos. wie sich bald zeigte, in
Paris und der Bretagne verbrachte, stellen mit ihrer
extremen Reduzierung auf einfache Formen, mit ihrer
Umkehrharkeit von Licht und Schatten und der eigen-
artigen Technik des Mehrmaldruekcs nicht völlig aus-
gefärhtcr Stöcke eine für die Graphik des 20. jahr-
hunderts nicht zu unterschätzende Anregung dar.
Wieder blieb der erhoffte Erfolg aus, und nachdem der
einst so klug rechnende Bankmann alle Mittel verbraucht
und eine Versteigerung seiner Bilder so gut wie keinen
Erfolg gebracht hatte, kehrte er 1895 Europa für immer
den Rücken. Schwieriger als vor Jahren schien er sich
diesmal in der Südsee einzugewöhnen. Gauguin wurde
krank, setzte sich mit polemischen Zeitschriften in
Gegensatz zu der offiziellen Gesellschaft und fand zu-
nächst auch künstlerisch sich nicht zurecht. Der vitale
Mann, der nie ohne Frauen leben konnte, der mit Matro-
sen Raufhändel angefangen hatte und ein fester Trinker
war, wollte verzweifelt aus dem Leben scheiden. Ein Arzt
auf Tahiti, einige Freunde in Paris, die, nicht immer zu-
verlässig, seine Angelegenheiten betrieben und ihn mit
Geld versorgten und schließlich eine Bürostcllung im
Katasteramt halfen ihm über diese Krise, von deren kör-
eprlichen Folgen er sich allerdings nie erholte.
1901 übersiedelte Gauguin auf die kleine Marquesas-
Insel Hivavoa, schuf sich nochmals ein Heim, das er
„Haus des Genießens" nannte, und malte Bilder, die trotz
ihrer exotischen Themen die Linie der französischen
Malerei von Poussin über Ingres, Puvis de Chavanne und
Cezanne, die er alle hoch schätzte, weiterführen und mit
der Kunst unserer Tage verbinden. Er gewann dem Holz-
schnitt durch das Mitspielenlassen der weichen Druck-
stöcke neue Ausdrucksmöglichkeiten ab und entwickelte
eine eigene Technik, die der heute so beliebten Mono-
typie weitgehend entspricht. Aber die dauernden Schwie-
rigkeiten mit den Kolonialhchörden wegen seiner Ein-
geborenenfreundlichkeit und sein durch Krankheit ver-
wüsteter Körper erlaubten ihm keine lange Ruhezeit und
am 8. Mai 1903 starb Paul Gauguin, von den Kanakcn
betrauert, von Europa fast vergessen.
Wie viele schöpferische Naturen hatte Paul Gauguin
versucht, seine Aussage auf verschiedenen Gebieten zu
formulieren. Theoretisch in den Briefen schon lange vor-
bereitet, iaßte er in dem aphoristischen Buch „Avant et
Apres" seine Kunstlehre noch einmal zusammen. Diese
Gedanken sind, ungeachtet der Wichtigkeit seiner Bilder,
Plastiken und Graphiken, in denen er den Blick frei-
machte für das Ursprüngliche, Primitive und in denen er
im Laufe weniger Jahre den Sprung vom Vor-Impressionis-
mus zu einer Inhalt und Form verbindenden Ausdrucks-
kunst vollzog, wohl eines der für die Kunst des 20. jahr-
hunderts wichtigsten Fundamente. Dadurch halte Paul
Gauguin in wörtlichem und in tieferem Sinne den Weg
bereitet für die moderne Malerei.
1 Landschaft bei Arles. 1888. John Herron Art Institute,
Indianapolis, USA.
2 PMau-Parau (Die Unterhaltung). 1892. Sammlung Mr. und
Mrs. john Hay Wilhney, New York.
3 T: Poipoi (Der Morgen). 1892. Sammlung Mr. und Mrs.
Charles S. Payson, New York.
4 Blumen und Früchte aus Tahiti, Um 1895. Sammlung Nnthan
Cummings, Chicago.