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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 8)

stellt hatte, die im Katalog als „unvollendet" bezeichnet 
wurden. 
Ob Klimt nach der Ausstellunga noch weiter am Bild 
gearbeitet hat, läßt sich, da mir Abbildungen des Zu- 
standes in der Berliner Ausstellung nicht bekannt sind, 
heute nicht mehr feststellen. Selbst der Umstand aber, 
daß der so gewissenhafte Klimt ein „unfertige? Ge- 
mälde in die Ausstellung schickt, fordert zum Nachden- 
ken auf; das Paradoxe daran läißt sich am ehesten aus 
der Entstehungsweise eines Gemäldes der Reifezeit er- 
klären. 
Klimt zeichnete bei seinen Bildnisaufträgen vorerst 
rasche Studien der ganzen Figur, von welchen im Fall 
des Bildnisses Stonborough-Wittgenstein fünf erhalten 
geblieben sind} Es ist anzunehmen, daß sie bei einer 
einzigen Sitzung entstanden; die Verschiedenheit der 
Signaturen auf den drei Blättern ist entweder ein Aus- 
druck der beschwingten Laune, in der die Zeichnungen 
entstanden sein mögen, oder es sind die Signaturen nach- 
träglich angebracht worden, wofür folgender Umstand 
spricht. Die drei signierten Blätter sind jene, die im 
Besitz der Familie geblieben sind. Die zwei anderen be- 
hielt wahrscheinlich der Maler bei sich und sie kamen 
später in andere Sammlungen (und kürzlich in den 
Kunsthanclel). jedenfalls sind alle diese Studien nicht 
bloß Figur-, sondern Kompositionssludien, aber in einem 
besonderen, einschränkenden Sinn. Sie zeigen die Ge- 
stalt in der Stellung, die sie im Bild einnehmen wird, 
nur der Kopf ist mehr bewegt und die Haltung der 
Hände ist bei einigen Studien etwas verschieden. Sonst 
ist die Statur mit bemerkenswerter Intuition „endgültigf 
erfaßt, obwohl die Figur (wie in ähnlichen Fällen öfters 
bei Klimt) in zwei Blättern spiegelverkehrt erscheint. 
Die endgültige (jedenfalls die im Bild fast haargenau bc- 
folgte) Studie ist die, die er mit GK bezeichnet hat. 
Nun ist es eigentümlich, obwohl der Fall auch in ande- 
ren Bildnisstudien Klimts ähnlich ist, daß trotz dieser 
endgültigen Erfassung der Figur der im Bild so wichtige 
Hintergrund in den Zeichnungen keineswegs angedeu- 
tet ist. So erscheint es geboten, auf das Verhältnis von 
Figur und Hintergrund in diesem ferne an Whistler er- 
innernden Gemälde einen Blick zu werfen, und damit 
auch einen Punkt der Gcstaltungsweise Klimts zu be- 
rühren. Wie die Figur selbst, so ist auch der Hintergrund 
ein Bildtcil, in dem sich die reine Flächenhaftigkeit von 
dekorativen Formen und Andeutungen des Räumlichen 
die Waage halten. Nun ist das Verhältnis dieser beiden 
Komponenten, des Räumlichen und Flächigcn, in den 
beiden Bildlcilen aber verschieden. Sie folgt in einer Art 
von Abstufung, die von dem am meisten [Jlaslischen 
Kopf bis zu den nrnamcntalen und harten Flächen- 
verhältnissc hinter dem Kopf reicht. Die Schul- 
ter, das Kleid, der Fußboden (der „räumlichste" 
Teil des fladicn Hintergrundsraumes), und dann die Mauer 
bilden die Zwischenstufen. Diese Stufung des im großen 
ganzen hellgrau-weißlichen Bildes wird durch Farb- 
streifen akzentuiert. Solche subtile formale Überlegun- 
gen und Nuancierungen, die die Klimtsche „Diskrepanz" 
zwischen Plastik und Fläche im Gegensatz zu vielen 
anderen ähnlichen Versuchen im jugendstil überzeugend 
erscheinen lassen, wären in der Zeichnung nicht einmal 
andeutbar gewesen, da ihr Wesen gerade in der durch 
den Ornamentgehalt der Umrisse gleichsam verschleier- 
ten Feinheit der Abstufung der raumbildenden Töne 
liegt. Der sehr ökonomische Kliml hat es auch unter- 
lassen, in den Vorstudien solche unnütze Andeutungen 
zu geben. 
In dem hier versuchsweise angedeuteten Aufbau des Bil- 
des liegt ein Moment des Additiven beschlossen. Dieses 
äußert sich eindeutiger in der Behandlung einzelner
	        
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