Persönlichkeit hatte einst allen Göt-
tern, mit Ausnahme Shivas, ein
Opfer dargebracht. Aus Entrüstung
über diese Vernachlässigung hieb
Shiva ihm den Kopf ab; als er sich
entschloß, dem Frevler das Leben
wiederzugeben, fand sich das abge-
haucne Haupt nicht mehr, weshalb
Shiva zu einem Ziegenkopf greifen
mußte. In Westindien wird Shiva als
Kandeh Rao verehrt und auf einem
Pferde reitend dargestellt. Eine Ver-
schmelzungsform von Shiva und
Vishnu heißt llari-llareshwar. Das
populärste, auf Fruchtbarkeitsvor-
Stellungen hinweiscnde Symbol Shi-
vas ist der Phallus, Linga, der zu-
meist mit dem weiblichen Korrelat,
Yoni, in Verbindung gebracht ist.
Shivas Wohnsitz ist der Berg Kai-
lasa, der im S. jh. n. Chr. zu einem
riesigen, aus dem gewachsenen Fels
herausgemeiflelten Heiligtum von
30m Höhe umgestaltet wurde. Die
wichtigste Darstellung unter den
zahllosen Felsreliefs dieses Monu-
mentes ist die Erzählung von der
Erschütterung des Kailasa-Berges
durch den zehnköpfigen, zwanzig-
armigen Ravana, den König von
Lanka. Dieser Herrscher versuchte,
den Berg zu spalten, um sich da,-
durch die Mithilfe Shivas im Kampf
gegen seinen Todfeind Rama zu er-
zwingen. Parvati, Shivas Shakti,
machte den Gott auf diesen Vor-
gang aufmerksam; dieser drückte
die Felsmassen mit einem Fuß sanft
nieder und machte damit Ravana
gleichzeitig für 10.000 Jahre zu sei-
nem Gefangenen.
Die für das europäische Empfinden
schönsten Darstellungen des Gottes
sind südindische hochmittelalterli-
ehe Bronzefiguren, die Shiva als Na-
taraja, als „Herren des Tanzes" wie-
dergeben. Im Tanze Shivas verkör-
pern sich alle kosmischen Energien,
Religion, Wissenschaft, Kunst eben-
so, wie Schöpfung und Weltunter-
gang. Der Gott führt diesen Tanz
in der letzten Lebensnaeht der Welt
aus; seine rechte obere Hand hält
die Trommel, in deren Vibration
sich die Idee der Schöpfung verkör-
pert, mit der linken gebietet er dem
Feuer, das zerstört und reinigt. Die
untere Linke weist zu seinen Füßen
als dem Schutz- und Zufluchtsort,
mit der unteren Rechten vollführt
er das Mudra der Beruhigung und
Furchtabwehr. Der Tanz vollzieht
sich auf einer zwergenhaften Figur,
Maya, die die totale Illusion des an
sich nicht realen Seins verkörpert.
In der Aureole, die den göttlichen
Tänzer umgibt, manifestiert sich
seine kosmische Energie.
Parvati, Shivas Shakti, ist „Die vom
Gebirge". In diesem Aspekt verehrt
sie das Linga oder bietet dem Gatten
das Lebenselixier Amrita dar. Sie
ist gewöhnlich rot gekleidet, sitzt
auf einem Tiger und hält in ihren
vier blutbefleckten Händen das
Schwert Sri-Garbha, den Schild, den
Dreizack und die Reiskugel Pinda.
Sie gebietet über ein Gefolge von
64- Hexen, den „Y0ginis". Als Ver-
nichterin des minotaurusartigen Dä-
mons Mahishasura sitzt sie auf
einem Löwen und schwingt den
Dreizack mit einer Hand; als Kali
(Die Schwarze) manifestiert sie sich
als Gottheit der Zerstörung, ist
schwarzhäutig, vierarmig, halt eine
Sichel und ein abgeschlagenes Rie-
senhaupt und vollführt die Gebärde
der Furchtabwehr und der Segnung.
In ihrem Aspekt als Durga (Die Un-
zugängliche. Gnadenlose) trägt sie
Ohrringe aus Leichen, eine Hals-
kette aus Schädeln, einen Gürtel aus
menschlichen Skeletten. Ihr Haar
fällt bis zum Boden hinab. die
Zunge bis zum Kinn, die Brüste bis
zum Gürtel, Finger und Zehen sind
als Klauen gebildet, ihre Glotzaugen
sind blutrot und zu ihren Füßen
liegt Shiva... Ihre zwölf Waffen
sind: Schwert, Dreizack, Diskus,
Pfeil, Spieß, Keule, Bogen, Schlinge,
Stachelstock, Schild, Glocke und
Streitaxt.
Ein theologisch besonders interes-
santer Aspekt ist Ardha-Nari, die
„Halbfrau", in der Shiva und Parvati
als ein Wesen - rechts der Gott,
links die Shakti - dargestellt wer-
den. Das Doppelgeschöpf ist von den
Vehikeln beider Elemente, dem Stier
und dem Tiger, begleitet.
Shiva hat zwei Söhne, einen davon
von Parvati. Es handelt sich um den
Gott der Weisheit, der Literatur,
den Beseitiger von Schwierigkeiten
und Schutzherrn der Straßen, Ga-
nesha : Sehutzherr der Ghanas
(mindere Gottheiten). Ganesha, eine
der beliebtesten Hindugötter, ist
doppelbäuchig. sein Attribut-Tier ist
eine Ratte, vor allem aber ist er
durch ein Elefantenhaupt mit nur
einem Stoßzahn charakterisiert. In
seinen vier Händen hält er die mil-
deren Attribute Shivas.
Der andere Sohn, Karttikeya, ist
eine Kriegsgottheit und Regent des
Planeten Mars. Er hat keine Mutter
und wurde daher von sieben Ant'-
men, den Krittikas, aufgezogen, von
denen er seinen Namen hat. Diese
Ammen entsprechen unserem Stern;
bild der Plejaden. Er ist gelb"- oder
rothäutig, reitet auf einem Pfau und
trägt Pfeil und Bogen.