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arbeit verfertigt hat. Der Umstand, daß Känischbauer für das Modell bezahlt
wird, allein zwingt allerdings noch nicht zu der Annahme, daß auch der
ursprüngliche - vielleicht nur zeichnerische - Entwurf von ihm herrühren
müsse; denn oft lagen in früheren Zeiten (und liegen heute noch) plastische
Modelle zwischen dem ersten Entwurfe und der eigentlichen Ausführung.
Jedenfalls haben wir in diesem Fall aber nicht an den künstlerischen Entwurf
eines dritten, hier ungenannten, Künstlers zu denken; sonst könnte es
kaum heißen „inventiert und gemacht" von Stegner und Känischbauer.
Dagegen müssen wir bei dem auf die reichste Steinwirkung angelegten
Werke wohl an eine wirklich gemeinsame Tätigkeit der beiden Genannten
denken; denn wer einmal mit solchen Dingen näher zu tun gehabt hat,
weiß, welch ungewöhnliche Erfahrung dazu gehört, sich Steinwirkungen
von vornherein richtig vorzustellen. Man darf hier also auch die Tätig-
keit des Juweliers beim ursprünglichen Entwurfe nicht zu gering ein-
schätzen.
Ein weiteres Werk Känischbauers ist dann die berühmte Monstranz
von Klosterneuburg. Wir haben ihrer schon in der vorliegenden Zeitschrift
in einem Bericht über die Düsseldorfer Ausstellung vom Jahre 190g gedacht?
Bei dieser Arbeit rührt, wie List in einem Aufsatz in den Berichten und
Mitteilungen des Wiener Altertumsvereins" und besonders in dem Werke
über die Goldschmiedearbeiten in Klosterneuburgi" eingehend auseinander-
setzt, der Entwurf von Mathias Steinl (oder Steindl) her.1' Der Vertrag des
Prälaten von Klosterneuburg mit Känischbauer ist vom 9. August 1710
datiert; es heißt darin ausdrücklich, Känischbauer habe das Werk „dem
ihme durch Herrn Mathias Staindl vorgegebenen riss und modell nach" zu
verfertigen.
Die Monstranz ist als eine Gabe zur Feier des öoojährigen Bestandes
dieses ehrwürdigen Stiftes, die in das Jahr 1714 fiel, gedacht und bringt
darum die bekannte Gründungssage, die Geschichte vom Schleier der
Gemahlin Leopolds des Heiligen, zur Anschauung (Abb. 4).
Ein späteres Werk Känischbauers aus dem Jahre 1717, das sogenannte
„Goldene Kindl", wurde im Auftrage Kaiser Karls VI. nach dem Tode seines
Söhnchens Leopold als Weihgabe für Mariazell ausgeführt; leider mußte
es während der Franzosenkriege eingeschmolzen werden-H-
Nach Schlager-Hi- rührte das Modell von dem berühmten Bildhauer
Lorenz Matielli her, der hiefür und für das Modell zu einem Altarkreuze
xooo B. erhielt. Auch dieses wurde übrigens nach Schlager durch Känisch-
1' „Kunst und Kunsthandwerk", XII (rgng), Seite 425 H.
H" Seite x58.
v" Tafel XXVIII b und Text dazu.
1- Vgl. auch die Arbeit von Dr. Wolfgang Pauker über Mathias Steinl im Jahrbucbe des Stiftes Kloster-
neuburg, lI. Band, Seite 32x lT.
H Die Vorgeschichte dieser Weihgabe finde! man ausführlich bei P. Berthold Sternegger „Sechstes
Jahr-Hundert der zu Mariarn nach Zell in Steyerrnark angefangenen Wallfahrt". Maria-Geil, bey Joh. Adam
Holzmayr (1757), Seite 325 B".
H1- „Cveorg Raphael Donner" (Wien, m53), Seite 3c; vgl. desselben „Matex-ialien" Seite 83.
bauer, und zwar in Silber, ausgeführt; wir werden im folgenden noch darauf
zurückkommenf"
Wie Schlager weiter berichtet?" erhielt unser Künstler für das im
Jahre 1719 in „Lebensgröße angefrimmte und gelieferte Metallene Crucifix
in die Kays. Schatzkammer oder Gallerie 1500 fl". Aus einer anderen
Stelle bei Schlager („Materialien", Seite 95) erfahren wir, daß der Hofbild-
hauer Franz Schickh in demselben Jahre 171g „für das schwarz gebeizte Kreuz
zu dem metallenen Kruzifix in die Gallerie oder Schatzkammer bei I-Iof 30 fl."
empfing. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir dieses schwarz geheizte
Kreuz für das halten, an dem Känischbauers Crucilixus angebracht wurde.
Schlager bemerkt zu der eben gebrachten Nachricht über Känischbauer:
„Das in der Burgkapelle hinter dem Hauptaltar befindliche Krucifix kann nun
allerdings von der Hand Kunischbauers (Känischbauers) und später aus der
Schatzkammer an seinen gegenwärtigen Standpunkt übertragen worden
sein." Eine Stütze könnte diese Vermutung durch eine Nachricht in den, auch
sonst so ergebnisreichen, Schatzkammerregesten Heinrich Zimmermanns
erhalten, woraus wir erfahren, daß Johannes Poy, Kustos der kaiserlichen Hof-
und Burgpfarre, am 1. August 1751 bestätigt, vom Generaldirektor der k. k.
Schatzkammern und Galerien Joseph de France verschiedene Gegenstände
erhalten zu haben: „Erstlich ein sehr großes crucifix von composition, so
in der hofcapellen negst dem hochaltar stehet; dann zwei andere, von holz
geschnitzt . . . . auf die seitenaltär zu gebrauchenßßt
Da es nach dem ganzen Aufbau des im Jahre 1748 unter Kaiserin
Maria Theresia neuerrichteten Altars als ganz sicher gelten darf, daß das
heute über diesem befindliche Kreuz erst eine spätere Zutat ist, kann man
wohl annehmen, daß ein ursprünglich danebenstehendes Kreuz, wie das
im Jahre 1751 erwähnte, später erst über dem Altar angebracht wurde.
Das Kreuz trägt nach Schlager-f kein Künstlerzeichen, so daß uns das
deutlichste äußere Merkmal zur Zuschreibung fehlt. Leider ist das Werk
heute so ungünstig aufgestellt, daß wir uns jeder näheren Untersuchung des
Stückes selbst enthalten müssen; wir bemerken nur, daß der Crucifixus
aus Bronze („Komposition", „Metall") besteht und auf einem Holzkreuze
aufgebracht ist (Abb. 13).
Nicht übersehen dürfen wir aber, daß die Bezahlung an Känischbauer
nur die technische Arbeit zu betreffen braucht, und daß das Modell von
jemand ganz anderem herrühren kann.
Wir wollen im weiteren übrigens noch einiges bringen, was vielleicht
zu einer späteren Klärung dieser Frage beitragen kann; doch halten wir es
für vorteilhaft, dies erst am Schlusse unserer Abhandlung zu tun, da wir
4' Unter den Geschenken Karls VI. zählt Sternegger (a. a. 0., Seite 334) ein Kreuz und sechs Berg-
kristalleuchter mit silber-vergoldeten Füßen auf, die hier aber nicht in Betracht kommen können. Diese
Stücke wurden im Jahre 1722 gewidmet. Bei Rodler sind sie a. a. O. auf Seite 124 besprochen und auf Tafel VIII
unter Nr. 1527 abgebildet.
i" „Georg Raphael Donner", Seite m3.
4'" „Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses", XVI, Rg. Nr. 12607.
1' „Raphael Donner", Seite 102.