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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 9)

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Als Braque und Picasso bei einer Radikalität der Gegen- 
standszerlegung angelangt waren (um 1910), die sie in 
Gefahr brachte, nichts mehr wiederzugeben als zer- 
stäubte Natur, eine Scherbenwelt, Splitterwelt, Giaswelt, 
wiewohl malerisch von berückendem Reiz und geome- 
trisch-prismatisch strukturiert in der zartesten Weise, 
geschahen merkwürdige Dinge. Braque begann in der 
illusionistischen Manier der Stubenmaler seinen Bildern 
Partien einzufügen, die Marmor und Holz imitierten. 
Typographische Einzelheiten folgten bei ihm und Picasso 
(1911), Buchstaben, wie mit der Schablone hingepinselt. 
1911112 gingen die beiden dazu über, Sand und Späne in 
die Farbe zu mischen sowie anstelle der Imitationen reale 
Gegenstände selber einzuführen, zugeschnittene Stücke 
Zeitungspapier, Drucksachen aller Art, Spielkarten, Ta- 
petenmuster, Wachstuchstreifen, Stoffreste. Damit war 
nicht allein der eine oder andere moderne Malerkniff 
geboren, sondern auch und vor allem eine neue Bild- 
gattung, die Collage, erfunden. 
Man pries die so gewonnene, wie man glaubte, relative 
Unpersönlichkeit der Gestaltung. Der malerische Nar- 
1 Eldorado - hommage in Voltaire. 
2 EI Sueno de Corles. 
3 Teotihuacan, pirämide del so]. 
Ä Panamä. 
5 Suez. 
6 Thayatal. 
7 Böhmische Wälder. 
zisrnus, das Part pour Part, das reine Virtuosentum des 
Pinsels sei nunmehr, wenn nicht abgeschafft, so doch 
in entscheidender Weise vermindert. Tristan Tzara 
sprach von dem Naturding, das durch die neue Technik 
unmittelbar eingeführt wurde, als dem „Sprichwort", 
dem „Gemeinplatz" in der Malerei, als einem „Stück gea 
wohnter Alltagswirklichkeit in einer anderen, geist- 
crschaffenen Wirklichkeit" und wies auf Parallelerschei- 
nungen in den übrigen Künsten hin, auf liertigelemente, 
meist Bruchstücke von Volksliedern in der Musik jener 
Zeit, auf die Gemeinplätze und Fertigsätze in der Dich! 
tung von Max jacob, Louis Aragon, Philippe Soupault, 
Paul Eluard und Tristan Tzara. 
Der Unpersönlichkeitstheorie stand aber früh eine Auf- 
fassung von der neuen Kunstgattung als etwas extrem 
Subjektivistisehen gegenüber, als einem der Wege, die 
romantische Ironie nehmen kann, zu deren Grundvor- 
stellungen die Idee von der souveränen Künstlerpcrsön- 
lichkeit gehört, welche nach freiem Willen, launisch, nfl 
übermütig, waltel. Mit der Collage wolle die schöpferi- 
sche Persönlichkeit zeigen, daß es keine „edlen" Mate- 
 
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