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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 9)

Korallenauflage, auch in Goldblechfassung, und ein aus 
einer Pinzette und einem Kratzer mit menschlicher 
Maske bestehendes Toilettebesteek. Dieses großartige. 
hier nur kursorisch beschriebene Ensemble ergänzt eine 
Reihe beachtlicher Funde aus dem Jahre 1952: drei Röh- 
renkannen aus Ton, teils ornamental bemalt, teils durch 
eingestempelte Muster und palmettenartige plastische 
Auflagen verziert, eine Scheibenfibel mit Rankenorna- 
mentik in Durchbruehsarbeit, eine Vogelkopffibel, bei 
der die Augen durch Bernsteinperlen wiedergegeben sind, 
eine Eberfibel und eine Reihe phantastisch gestalteter 
Maskenfibeln. eine mit gchörntem Tierkopf und weitere 
mit den verschiedensten Kombinationen von Menschen- 
und Tierköpfen, wie Bügel der Fibel als Widder und 
Fuß als Pferdeköpfchen, Bügel und Fuß mit bärtigem 
Männerköpfchen oder Bügel als Fratze und Fuß als Tier- 
köpfchen gestaltet. 
Der Dürrnberg hat auch treffliche Beispiele typischer 
Latenekeramik ergeben, darunter außer den bereits er- 
wähnten Röhrenkannen töncrne Nachbildungen von 
Schnabelkannen, zum Teil mit prachtvoller Bemalung, 
Linsenflaschen in mehreren Varianten, sogenannte „Brau- 
bacher" Schalen mit sternförmiger, von der Mitte aus- 
gehender Stempelverzierung am Innenboden, eine Fuß- 
vase, die sich von Formen der Marnekeramik in Ost- 
frankreich herleitet, das Bruchstück einer riesigen Ton- 
situla der Frühlatenezeit mit eingestempelter, aus S-Spi- 
ralen und Fischblasenmotiven zusammengesetzter, um- 
laufender Verzierung am eingeschwungenen Rand - 
dieses Gefäß konnte rekonstruiert werden - und schließ- 
lich Graphittongeschirr mit „Kammstrich" und den ver- 
schiedenartigsten Stcmpelmustern in reicher Auswahl. 
Aus Salzburg ist erst vor kurzem ein ganz an das Ende 
der Latene- oder eher schon in nachchristliche Zeit ge- 
hörendes Kunstwerk ersten Ranges bekannt geworden. 
Auf der Festung Hohensalzhurg war - vermutlich seit 
etwa 1500 - über der „Roßpforte", durch die man den 
großen Burghof betritt, in etwa 12 Meter Höhe eine 
Skulptur eingemauert, die von jeher allgemein als „Rö- 
merkopf" bezeichnet wurde. Als der Kopf 1956 im Zuge 
von Restaurierungsarbeiten aus der Mauer genommen 
wurde, zeigte sich, daß er Merkmale aufweist, die man 
vorher wegen der großen Entfernung vom Besehaucr 
nicht näher ausnehmen konnte. Merkmale, die für kel- 
tische Darstellungen des menschlichen Hauptes - solche 
sind hauptsächlich aus Südfrankreich in einiger Zahl 
bekannt - kennzeichnend sind: die im Verhältnis zur 
unteren Gesichtshälfte auffallende Breite der Stirn und 
der Schläfenpartien, die stark hervortretenden Backen- 
knochen, die eingefallenen Wangen, die gerade Nase mit 
breitem, abgeflachtem Rücken, die kräftig umrandeten 
ovalen Augen, das Fehlen der Ohren, der „Zirkumflcx"- 
Mund, der zusammen mit dem plumpen Kinn dem Ge- 
sichtsausdruck einen brutalen Zug verleiht, und der dicke 
 
Hals. Dazu kommt noch, daß die gemusterte Kalotte an 
eine gestrickte Mütze denken läßt, wie sie einige Figuren 
auf dem berühmten Silherkessel keltischer Herkunft von 
Gundestrup (Dänemark) tragen. Die Andeutung der Pu- 
pillen durch seichte Dellen. wie sie bei römischen Pla- 
stiken häufig ist, spricht für eine Datierung etwa in das 
1. oder 2. jahrhundert n. Chr. Da diese Kopfplastik aus 
Untersberger Marmor besteht, kann sie nur das Werk 
eines einheimischen Künstlers sein. Man hat es eher mit 
der Darstellung eines keltischen Gottes oder Heros als 
mit einem Grabporträt nach römischem Vorhild zu tun, 
welche Deutung auch der Umstand nahelegt, daß kelti- 
sche Kultur und Tradition noch lange unter den Römern 
wirksam waren, was M. Hell auf Grund verschiedener 
Erscheinungen wiederholt bewiesen und betont hat. Kel- 
tische Gottheiten, die entweder auf die einheimische Be- 
völkerung zurückgehen oder mit denen diese durch römi- 
sche Soldaten oder Kaufleute vertraut geworden war, 
hat man auf dem Boden des heutigen Österreich in meh- 
reren Gegenden wenigstens bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. 
verehrt. Koplplastiken von keltischem Charakter. meist 
an Kirchen eingemauert, sind aus Kärnten bekannt. 
1 Eberfigürchen aus Bronze vom Rainberg (Stadt Salzburg) 
B Kopfapplike aus Bronze vorn Dürrnberg. 
 
Zur Ausrtellung „Keltische Kunst in Salzburg" 
Der Salzhurger Museumspavillon im Mirabellgarten, ein adapl 
tiertes barockes Vogelhaus, gibt einen idealen Rahmen für 
die ausstellungstechnisch schwierigen, qualitativ zum Teil un- 
vergleichlichen Exponate ab. Die durch die Kleinheit der Räume 
bedingte intime Wirkung wurde noch durch die Auskleidung 
der Wände mit gefältellen, fein gemusterten braunen Stoll- 
bahnen gesteigert. Die modernen, aus zweifarlaigem Metall ver- 
fertigten Vitrinen, sowohl die freistehenden als auch die puli- 
artigen, sind nun keine Särge mehr, wie sie jedem Besucher von 
Sammlungen prähistorischer Kunst in übler Erinnerung sind, sie 
fordern durch ihre geschickte Disposition und Dimensionierung 
zum Nähertreten, zur intimen optischen Auseinandersetzung 
mit den Exponaten auf. Alles in allem: Eine Schnuslellung von 
mehr als temporärer, ja von schrittmachender Bedeutung, E. K.
	        
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