IN UNSERER FORTLAUFENDEN ARTIKELSERIE ÜBER ÖSTERREICHISCHE SCHLÖSSER, IHRE GE-
SCHICHTE, BEDEUTUNG UND AUFGABE IN DER GEGENWART, VEROFFENTLICHEN WIR DEN ZAUFSATZ
LISELOT
POPE
LKA
SCHLÖSSER
DES
MARCHFELDES
Den Wenigsten-Wienern wie Nichtwienern-ist das
östliche Vorfeld der Bundcshauptstadt als ein „Burgen-
land" und Schlösserrevier bekannt, und in den jüngst-
vergangencn jahrcn waren es vor allem wirtschaftliche
Interessen, die sich mit der Vorstellung von dieser Ge-
gend verknüpfen. Und doch, gerade im Marchfeld stehen
auf verhältnismäßig engem Raum und ganz in der Nähe
Wiens Burgen und Schlösser die nicht allein als be-
deutende Denkmäler der Baukunst sehenswert sind, son-
dern in ihrer Verschiedenheit jedem aufmerksamen Be-
sucher ein eindrucksvolles Bild der Vergangenheit mit all
ihren Lebensgewohnheiten und Erfordernissen vor Augen
stellen, die an ihrer Gestaltung mitgewirkt haben.
Von den älteren unter ihnen, die aus ähnlichen und ge-
meinsamen Voraussetzungen entstanden und eine Gruppe
bilden, soll hier nun die Rede sein. Sie alle waren nicht
so sehr friedlich-geruhsamcm Wohnen als vielmehr här-
terem Geschäft bestimmt: als befestigte Stützpunkte
dienten sie der Überwachung und Verteidigung wichtiger
Örtlichkeiten und hatten Schutz und Zuflucht zu bieten.
An Daten zur Baugeschichtc ist freilich für diese Denk-
mäler nicht allzuviel überliefert; wir hören meist nur
von den Geschlechtern, die auf jenen Burgen saßen, und
diese Nachrichten gehen im allgemeinen bis ins frühe
12. Jahrhundert zurück. Über den später oft häufigen
Wechsel der Besitzer sind wir in vielen Fällen recht gmt
unterrichtet, doch nur selten verbinden sich mit einem
dieser Namen auch konkrete Angaben über eine bau-
liche Veränderung. Unter diesen Denkmälern gibt es
aber auch solche, die ihre ursprüngliche Gestalt fast
unverändert durch die Jahrhunderte bis in unsere Zeit
herübergerettet haben.
Da ist zunächst und als ältestes Schloß Sachsengang bei
Mitterhausen im südlichen Marchfeld. Abseits der Straße
liegt es, von einem tiefen Graben umzogen, in dichtem
Gehölz verborgen, düster und scheinbar unzugänglich.
Wer das Tor passiert hat, zu dessen Seiten sich noch
Reste der alten Ringmauer erhalten haben, und auf
schmalem Pfad den dreigeschossigen, polygonalen Bau
umschreitet, möchte es kaum für möglich halten, daß er
sich hier auf einem von Menschenhand aufgeschütteten
Hügel befindet. Hier handelt es sich um eine sogenannte
„Hausbergfestung" - übrigens die einzige in Nieder-
österreich, bei der sich außer dem künstlichen Erdhügel,
dem „Hausberg", auch noch seine Einbauten erhalten
haben. Schon in der Babenbergerzeit bildete Sachsengang
zusammen mit dem Hügel, auf dem sich die Kirche des
Nachbarortes Oberhausen erhebt, ein großes Bollvrerk.
Von der wichtigen Rolle, die diese Befestigung einst
spielte, können wir uns heute. da die umgebende Land-
schaft sich nicht zuletzt durch die Donauregulierung
völlig geändert hat, nur schwer einen Begriff machen.
Sachsengang lag ja einmal, ähnlich wie Orth und
Eckartsau, ganz im Stromgebiet der Donau, deren Ne-
benarme sich bis hierher verzweigten, und es war vor
allem der Donauübergang bei der nahegelegenen Mün-
dung der Fischzt, der von hier aus überwacht werden
konnte. Wir wissen nicht genau, ob nicht schon in der
Römcrzcit hier eine Befestigung bestand. Als aber im
späten Mittelalter hei Wien eine Brücke über den Strom
errichtet wurde, und sich schließlich der Lauf seiner
Arme immer mehr veränderte, verlor auch Sachsengang,
das nun vom Wasser abgeschnitten war, seine einstige
Bedeutung. l)ie Zeiten haben hier wenig verändert: nach
dem Dreißigjährigen Krieg war die mittelalterliche Burg
noch mit drei quadratischen Türmen bewehrt (so ist sie
in dem Werk des Topographen Georg Matthäus Vischer
vom linde des 17. Jahrhunderts abgebildet); davon hat
sich nur mehr ein Berchfrit erhalten. Als Mittelpunkt
eines Gutes und Familienwohnsitz erfüllt Sachsengang
noch immer eine lebendige Funktion.
Ähnlich wie Sachsengang konnte auch das trutzige Orth
Verkehr und Handel auf der nahen Donau überwachen.
Es ist heute noch die imposanteste dieser alten Burgen
im Osten von Wien; mit ihren drei gewaltigen, um einen
quadratischen Hof gelagerten Flügeln, die von schweren
Türmen verstärkt sind, steht sie vor uns, wie im Spät-
mittelalter etwa die Burgen zu Wien oder Wiener Neu-
stadt ausgesehen haben. Reizvoll ist an diesem Bau das
Nebeneinander von spätgotischen Schmuckformen, wie
sie die engc Wendeltreppe mit ihrem Sterngewölbe zeigt,
und Renaissanceornamenten, die einmal die geräumigen
Säle zierten. Ein Rest davon, eine Türvertäfelung mit
einladender lateinischer Inschrift, ist in dem kleinen
Heimatmuseum zu sehen, das im Obergeschoß eingerich-
tet wurde. Dort findet sich auch, neben Bodenfunden
und verschiedenen Schaustücken aus der Umgebung, die
wechselvolle Geschichte von Ortschaft und Schloß ver-
zeichnet.
Als wohl bedeutendste Burg in diesem Raum hat Orth
im Laufe der Zeit mannigfache Schicksale erlebt. Als
die niederösterreichisehen Stände von Kaiser Fried-
rich III. die Herausgabe seines Mündels Ladislaus Postu-
mus erzwingen wollten, belagerten sie unter der Füh-
rung Ulrich Eitzingers 1452 Orth, plünderten es und
steckten es in Brand; auch die Türken verwüsteten es
bei ihrem Zug vor Wien 1529, und der berühmte Ver-
teidiger der Stadt, Niklas Graf Salm, dessen Familie
lange Zeit die Burg besaß, mußte sie wiederherstellen.
Im Dreißigjährigen Krieg schließlich wurde Orth von
den nach Österreich eingedrungenen Schweden geplün-
dert. Augustin Graf Auersperg erweiterte dann 1679 die
mauergcwaltige Anlage des Spätmittelalters um einen
frühbarocken Wohnflügel im Westen.
Zu den Denkmälern, deren Aussehen sich im Lauf der
Jahrhunderte wenig gewandelt hat, zählt auch Schloß
Bockfließ im nördlichen Marchfeld, am Südabhang des
unteren Manhartsberges. Seine Verteidigungsanlage ist
schon den Feuerwaffen angepaßt. die seit der Wende vom
Mittelalter zur Neuzeit das gesamte Kriegs- und Belage-