IN UNSERER l7()R'l'LA[iFIiNDEN ARTlKELSERlli
[WBIER ÖSTERREICHISCHE SCHLÖSSER, IHRE GE-
SCHICHTE, BEIHiUFCNG UND AUFGABE IN DER
(JILGENKYTAWF X'liRÖl1l7liN'I'Ll(IIlEN WIR DEN
3. AEFSATZ
SCHLOSS STIEBAR
IM
MALERISCHEN
TAL
VON
GRESTEN
FRANZ WINDISCH-GRAETZ
Bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts glich
Schloß Sliebar oder Nieder-Hausegg, wie es damals
hieß, im wesentlichen noch einer wehrhaften Burg, da
der Umhau zu Ende des 16. Jahrhunderts zwar das
Schloß wohnlich gestaltet, aber doch die iortilikatori-
sehen Anlagen belassen hatte. Damals waren die Zinzen-
dort", jenes mächtige Adelsgeschlecht, dem wir in den
Chroniken zahlreicher niederösterreichiseher Burgen und
Schlösser begegnen, auch die Herren von Nieder-Haus-
egg. Mit deren Aussterben sahen sich jedoch die Erben
genötigt, das Schloß zu verkaufen. Es war Christoph
von Stiebar, der 1765 die Herrschaft erwarb. Mit seiner
Familie beginnt die neuere Geschichte der alten Burg,
nun erhält sie nicht nur ihre heutige Gestalt, sondern
auch ihren heutigen Namen und vieles, ja gerade das
künstlerisch und kulturhistorisch Bedeutendste der
Innenausstattung des Schlosses geht auf die Bautätig-
keit jener Familie zurück. Joseph von Stiehar, der Sohn
des oben genannten Christoph, muß ein unternehrnender
und allem Neuen aufgeschlossener Mann gewesen sein.
Ihm behagte es nicht, länger in einem altväteriseh ein-
gerichteten Schloß zu leben, das wohl recht unbequem
zu bewohnen war. So entsehloß er sich im jahre 1794
zu einem völligen Umbau, der das alte Haus von Grund
auf verändern sollte. Wie viel Zeit die Ausführung dieses
großen Planes in Anspruch nahm, läßt sich heute nicht
mehr genau feststellen. So viel aber ist sicher, daß die
Neugestaltung, die von dem Wiener Baumeister Franz
Xaver Stadler und größtenteils von Handwerkern aus
der Hauptstadt ausgeführt wurde, eine radikale war.
Nachdem die Türme und die Ringmauer abgetragen, die
Zugbrücke beseitigt und der Burggraben zugeschüttet
waren, erstand das Sehloß so, wie es sich noch heute
unseren Blicken zeigt: Ein hoher, rechteckiger Bau,
dessen strenge Einfachheit, sich nur an der Fassade einige
plastische Ornamente erlaubt. Diese nahezu abweisende
Herbheit verfehlt nicht ihre Wirkung auf den Besehauer,
da sie verbunden mit der dominierenden Lage des Schlos-
ses über dem Tal, den Eindruck stolzer Herrschaftlich-
keit gewährt. Ohne Zweifel wollte Joseph von Stie-
12