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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 11 und 12)

3 Bildnis eines bärligcn Mannes. Kunstsammlung des Wswel, 
Krakau. 
12 
seres Jahrhunderts im amerikanischen Kunsthandel und 
wurde 1906 von Mather zum ersten Male publiziert." 
Er sah das Bild zunächst als ein Originalwerk Holbeins 
an und hat auch nach dem heftigen Einspruch von C. 
Riekettw immer noch energisch daran festgehalten," 
daß es alt sei und sicher aus dem 16. jahrhundert 
stamme. Friedländer hat in einem fesselnden Aufsatz 
das Gemälde als ein Beispiel für geschickte liälschertä- 
tigkeit veröffentlicht." Paul Ganz bestritt die Urheber- 
schaft Holbeins, ließ jedoch die Frage offen, ob es sich 
um alte Malerei handle." Ohne Zweifel liegt der Ver- 
dacht nahe, daß wir es hier mit einer Fälschung des 
19. Jahrhunderts zu tun haben, wie ja überhaupt die 
Form des Pasticcio in jedem Falle den Anschein einer be- 
trügerischen Absicht des Kopisten erweckt. 
Bereits eingangs hatten wir darauf hingewiesen, daß 
das Wiener flcrrenbildnis von 1541 zwar bei weitem 
nicht das einzige wiederholt kopierte Werk aus Hol- 
beins Schaffen ist, dennoch sind nur wenige Gemälde 
seiner Hand, die uns Unbekannte darstellen, so oft und 
in so eigentümlicher Weise von späteren Nachahmern 
als Vorbild benutzt worden. Es erhebt sich daher 
zwangsläufig die Frage nach dem Warum. Die Gründe 
können mannigfacher Art sein. Die wichtigsten Mög- 
lichkeiten seien wenigstens angedeutet und kurz erwo- 
gen. Daß es die Person des Dargestellten war, die zum 
Kopieren reizte, schließt aus, denn es kam den Nach- 
ahmcrn in der Regel offensichtlich nicht auf die Phy- 
siognomie des Mannes, sondern auf seine Hände und 
deren Haltung an. Lag vielleicht eine Holbein-Zeich- 
nung vor, weitergereicht im Kreise der Nachfolgenden, 
die das Handmotiv festhielt und so bekannt und nach- 
ahmenswert waren? Das ist unwahrscheinlich, denn fast 
nie hat der Meister für seine Bildnisse Handstudien an- 
gefertigt; nur ein einziges Beispiel hierfür ist uns be- 
kannt, das Blatt in Basel mit einer Zeichnung der 
Hände des Erasmus. War ein weit verbreitetes gra- 
phisches Werk Vorbild für die Nachahmer? Etliche 
Radierungen nach Werken llolbeins hat Wenzel Hollar 
zwischen 1636 und 1641 angefertigt, aber nur soweit 
die Vorbilder, meist Zeichnungen, in der Sammlung 
des Earl of Arundel aufbewahrt wurden, in dessen 
Diensten Hollar zu jener Zeit stand; das Wiener Bild 
befand sich nicht in dieser Sammlung, und eine Zeich- 
nung von ihm ist uns nicht überkommen, ganz ab- 
gesehen davon, daß in diesen Vorstudien die Darge- 
stellten regelmäßig nur im knappen Brustbild festge- 
halten wurden. 
Das jünglingsbild von 1541 ist erst 1735 von Stampart 
und Prenner radiert worden, als sie es in ihr bildliches 
Inventar der Kunstschätze in der Stallburg aufnahmenf" 
freilich so klein und unzulänglich, daß diese Radierung 
als Vorbild nicht in Betracht kommt. Graphische Arbei- 
ten können also den Nachahmungen nicht als Vorlage 
gedient haben. Das erhärtet die Vermutung, daß die 
Kopie in Palermo in der erzhcrzoglichen Galerie ausge- 
führt worden ist, das Krakauer Gemälde, wenn es, was 
wir annehmen möchten, ein Werk des 16. Jahrhunderts 
ist, wahrscheinlich schon in Holbeins Werkstatt ange- 
regt wurde, während die beiden anderen Bilder später 
unter dem Eindruck des Wiener Porträts entstanden 
sind. Für das Herauslösen des Handmotivs bleibt nur 
eine Erklärung, die einfachste und überzeugendste zu- 
gleich: Sicher war es die abgewogene Schönheit der 
Formulierung, in ihrer Lebendigkeit nahezu einmalig 
auch in Holbeins Bildniskunst und schlechterdings mei- 
sterlich, die immer wieder dic Nachschaffenden - 
Kopisten oder Fälscher - fesselte, bestach und als ein 
überzeugendes Vorbild zum Wiederholen anregte.
	        
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