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Sechster Jahrgang. 15. Jänner 1871.
k. k. österr. Museums für Kunst 8: Industrie.
(Monatschrift für Kunst 8c Kunstgewerbe.)
(Am 15. eines jeden Monats erscheint eine Nummer. - Abonnementspreis per Jahr 3 d. ö.W.
Bedactenr Bruno Bücher. Expedition von C. Gerold's Sohn. Mm abonnirt im Museum,
bei Gerold St Comp., durch die Postanstalten, sowie durch alle Bnch- und Kunsthandlungen.)
I. n in: (mm Bilderrahmen. - um: alt-germanische llsulltochnik. - Zur Ausstellung des Museums. -
Vorlesungen im lluunm. - Bücher-Revue. - Kleinen Mlnusilungin. - Bibliothek-Katalog.
y
Ueber Bilderrahmen.
I.
Es ist zwar ganz in der Ordnung, dass man von den Bildern mehr
spricht und schreibt als von ihren Rahmen; einmal aber mag es auch
erlaubt sein, von den letzteren zu reden und das um so mehr, als ihre
gegenwärtige Beschaffenheit einigermassen bedenklich ist und zu allerlei
Kritik auffordert, sobald man anfängt, ihren Zustand vernünftig zu betrachten.
Das Publicum ist allerdings vollkommen befriedigt, wenn der Rahmen"
nur hübsch vergoldet ist, und der Künstler ist auch leicht zufrieden ge-
gestellt, wenn ihm sein Bild dadurch gehörig isolirt, d. h. von der Mit-
wirkung aller umgebenden oder in der Nähe befindlichen Gegenstände
für das Auge ausgeschlossen wird. Aber gerade hier liegt, wenn nicht
der Irrthum, doch die Ursache zum lrrthnm.
Das Bild hat doch einmal die Bestimmung, an eine Wand zu kom-
men, von der es durch den Rahmen wohl getrennt sein soll; billiger
Weise sollte man demnach zweierlei bei dem Rahmen bedenken: das
Bild und die Wand. Den letzteren Umstand übersieht der Künstler
völlig. Sein Bild entsteht ihm in den allermeisten Fällen gänzlich selbst-
ständig im Atelier; er weiss nicht, wo es hinkommt, welche Wand es
einmal zieren soll, und er denkt 'auch gar nicht daran. Er sinnt nur
darauf, wie er die eigene Schönheit des Bildes auf das vortheilhaiieste
erheben, wie er das Auge des Beschauers vor jeder äusseren Störung
schützen kann. Das Mittel zu beiden ist ihm der goldene Rahmen, den
er principiell so breit wie möglich wünscht, gerade wie der Kupfer-
stecher auf die Frage, wie breit der weisse Rand um seinen Stich sein
solle, uns antworten wird, „so breit wie möglich". Wenn Bild und Stich
aber auf die Wand kommen, so irren beide, Maler und Stecher, denn
die Störung, welche die breiten Ränder, der goldene wie der weisse, in
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