zur
Geburt
Josephs
II.
borene Erzherzog als ein mit dem Lorbeer gekröntcr
Knabe dargestellt war. Dieser Sonne näherten sich von
rechts der Triumphwagen der Tugend und Liebe und
von links ein von Löwen und Pferden gezogener Wa-
gen mit Pallas Athene und dem von ihr erwählten Tu-
gendhelden. Alle Figuren samt der Sonne waren „auf
feiner Leinwant von durchscheinenden Wax-Gcmälhdc"
gemalt und konnten von hinten mit 8000 großen Licht-
gcfäßen und Lampen so beleuchtet werden, daß es als
ein „vielfärbiges Feuer anzusehen war".
Vor dem Gebäude stand auf einem 5m hohen Sockel die
Gestalt des griechischen Helden jason neben einem
Baum, in dessen Ästen das goldene Vließ hing. Er träu-
felte dem es bewachenden Drachen einen einschläfern-
den Saft in das weitaufgesperrte Maul. Zur „größeren
Verherrlichung der allgemeinen Fröhlichkeit" des Volkes
entsprang dem Draehenmaule aus zwei Röhren roter und
weißer Wein. Schon um 2 Uhr nachmittags begann der
Drache Wein zu speien und dieses Ereignis verursachte
„beständig gedauerten Tumult". Mit Kannen und Eimern
drängten sich die Wiener hinzu und in den drei Tagen
spendete der Drache 150 Eimer Wein.
Zwei in den Stadtfarben gekleidete Musikkapellen mit
Trompeten und Pauken sorgten abwechselnd für die
musikalische Untermalung. Der Bürgermeister und die
Stadtkämmerer befanden sich jedesmal vom Anfang bis
zum Ende der Beleuchtung auf dem Gerüst, um nicht nur
von der oberen Galerie „Brod und allerhand Gebratte-
nes" unter das Volk zu werfen, sondern um vor allem
die äußerst feuergefährliche Installation des Freuden-
gerüstes ständig im Auge zu behalten.
Dieses prächtige Ehrengerüst war von dem Wiener Ar-
chitekten Franz Rosenstingl errichtet worden. Das Pro-
gramm hiezu, „die wunderlichen Einfälle", lieferte ihm
der kaiserliche Kamrnermaler Martin von Meytens. Für
den malerischen Schmuck hatten die beiden Maler Angst
und Bendel gesorgt. Salomon Kleiner aber verfertigtc
einen Kupferstich davon, der die Situation mit größter
Treue festhielt.
Diese für den Augenblick geschaffene Architektur ist
aber der Nachwelt nicht nur durch den Stich allein über-
liefert. In den von dem Hofbuchdrueker Johann Peter
von Ghelen zusammengetragenen „Wiennerischen Be-
leuchtungen oder Beschreibung aller deren Triumph- und
Ehren-Gerüsten, Sinn-Bildern und anderen so wohl herr-
lich und kostbar und annoch nie so prächtig gesehenen
Auszierungcn, welche bey denen zu Ehren der höchst-
gewünschten Geburt josephi... zu bewundern und zu
sehen gewesen", wird der Bau genauest beschrieben und
als ein Werk gefeiert, „welches an Kostbarkeit, llerr-
lichkeit und Größe alle anderen so bey dieser Gelegen-
heit allhier gesehen worden, übertroffen".
Im kunsthistorischen Zusammenhang kommt diesem
Werk des Wiener Architekten Franz Rosenstingl (1702
bis 1785), der ein Schüler der Wiener Akademie war und
von justus Schmidt als ein „beachtenswerter Vertreter
der volkstümlichen Richtung" bezeichnet wird, eine be-
sondere Bedeutung zu. Denn Thomas Zacharias, der
Autor der erst kürzlich erschienenen Monographie
über Johann Emanuel Fischer von lirlach, bean-
sprucht es für diesen, da er zu jener Zeit Leiter
des Hofbauamtes gewesen ist. Obwohl Zacharias'
stilkritische Untersuchung durchaus einleuchtend ist
und in der Zurückführung der Architekturelemente
Rosenstingls auf die gesicherten Bauformen des jün-
geren Fischer überzeugt, ist durch die Angaben der
„Wiener Beleuchtungen" das Freudengerüst eindeutig
als ein Werk des Franz Rosenstingls anzusehen. Diese
Tatsache bringt erneut die von Moritz Dreger bereits
1915 ausgesprochene Warnung zum Bewußtsein, „wie
vorsichtig man mit rein stilkritischen Untersuchungen
gerade bei der Barockkunst sein muß".
Aber auch die übliche Differenzierung der architektani-
sehen Leistungen der Barockzeit in solche eines „Reichs-
stiles" und solche einer mehr „volkstümlichen Richtung"
wird, wie dieses Beispiel zeigt, in Frage gestellt. Denn,
wenn das Werk des „volkstümlichen" Rosenstingl auf
Grund einer exakten stilkritiscben Analyse auch als ein
Werk des jüngeren Fischers von Erlach, des Repräsen-
tanten eines „Reichsstiles", angesehen werden kann, dann
hebt diese Tatsache die spezifische Differenz völlig auf.
Der vorliegende Fall bestätigt nur wieder von neuem die
Einsicht, daß einer Zeit, der die Imitation alles bedeu-
tete, die Originalitätssucht völlig unbekannt war und
„die Leistungen des Einzelnen gegen die der Zeit häufig
zurücktreten" (Dreger). Es verwundert daher nicht, daß
auch das rosenstinglische Freudengerüst selber wieder in
eine neue architektonische Dcszcndenzlinic gebracht
werden kann. Es ist die eindeutige Vorstufe zum Melker
Gartenpavillon, den Rosenstingl mit der Anlage des Mel-
ker Stiftsgartens im Jahre 1746 entworfen hat, und der
von justus Schmidt als „von Johann Emanuel Fischer
von Erlaeh abhängig" bezeichnet wird. Dieser Pavillon
aber wurde zu Lebzeiten Rosenstingls von Franz Mun-
kenast 1747MB erbaut.
Unsere Untersuchung rückt aber auch die Bedeutung der
literarischen Quellen in den Vordergrund. Es gilt eben
nicht nur die Archivalien heranzuziehen, sondern auch
die Sekundärquellen, wie es z. B. die „Wiennerischen Be-
leuchtungen" sind, die für die Jahre 1716, 1741 und 1745
vorliegen. Diese Quellen enthalten nicht nur eine Fülle
von ikonologischen Programmen - im Band von 1741
sind über 200 enthalten -, sondern auch zahlreiche An-
gaben über Programmgestalter und Wiener Künstler. Sie
sind ein noch nicht gehobener Schatz zur Kunst und
Kulturgeschichte der Barockzeit.
Literaturhinweis:
Thomas Zaeharias, Joseph Emanuel Fischer von Erlach, Verlag
Herold, Wien-München, 196D
Wienerische Beleuchtigungen... zu Ehren der Geburt des
Durchlauchtigsten Erz-Herzogs zu Österreich... den 14., 15.
und 16. April 1716 angestellten Frcudens-Bczeugungen... zu-
sammengetragen und verlegt von Johann Baptist Schönwetter,
Wien, Kaiserliche Reichs-Hof-Buchdrukerey
Wiennerische Beleuchtungen. . . zu Ehren der höchst-gewünsch-
ten Geburt Josephi. Zusammcngetragcn und verlegt von Johann
Peter von Ghelen, Wien 1741
Wiennerische Beleuchtungen... wegen der höchst-erfreulichen
Geburt des zweyten ErtzHerzoges von Österreich Caroli. ..
Zusammengetragen und verlegt von Johann Peter von Ghelen,
Wien 1745
Wiennerische Beleuchtungen... wegen der zu Frankfort glor-
reichest beschehenen Kaisers-Wahl und Crönung seiner römisch-
kaiserlichen Majestät Francisci . . . nebst ihrer gleichfalls Kaisera
lieh-auch zu Hungarn und Böheim Königl. Majestät Marias
Theresiae .. . von gedachten Frankfort in die kaiserl. Residentz-
Stadt Wienn erfolgten glücklichen Zurückkunft... angestell-
ten Freuden-Bezeigungen. Zusammengetragen und verlegt von
Johann Peter von Ghelen, Wienn 1745
Thieme-Becker, Künstlerlexikon, Bd. XXIX S. 20, Roscnstingl,
(Justus Schmidt)
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