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„Ein solches Werk ist also principiell für eine Ausstellung, wie
sie hier in Rede steht, wahlberechtigt. Fehlt dieses Zeichen der Kunst
oder der Schönheit, ist der Gegenstand blos Topf, hlos Instrument, blos
Ziegel und weiter nichts, wie gut auch immer gearbeitet, so ist er von
einer solchen Ausstellung ausgeschlossen."
Vorlesungen im lfuseum.
Am 15. December v. J. hielt Prof. Dr. Alexander Conse seinen Vortrag über grie-
chische und römische Grabmller.
Der Vortragende ging von dem der heutigen Vorstellung und Kunstübung seit Les-
sings von Schiller dichtsrisch zusammengefasste: Untersuchung gelludgsten antiken Todes-
bilde, dem „die Fackel senkenden Genius", aus, kurz betonend, dass dies eine uns nur
in. römischen Werken vorliegende Darstellung sei. Er knüpfte daran die ebenfalls kurz-
gefasste Schilderung der Gegensätze der Einfachheit der Grliherausststtung in republika-
nisch und der prunkenden Weise in kaiserlich römischer Zeit, als Prunkstiicke namentlich
die Sarkopbage heraushehend. Die in ihren Reliefs dargestellten Gegenstände wurden
summarisch aufgezählt, die eigenthümlichs Art der Verwendung griechischer Mythenscenen
charakterisirt, eine besondere Beachtung aber auch den GrabmElern in den römischen
Provinzen an Rhein und Donau geschenkt, in welchen sich eine nach dortigen Lebens-
zustlinden und dortiger Kunstweise modiiicirte Sitte in den Grabeshildern hemerklich
macht. Wie im Laufe der Auseinandersetzung früher schon das prächtige Grabmal der
Julier zu St. Remy in Südfrankreich genannt war, wurden nun unter den erhaltenen rö-
mischen Grabrnälern der nördlichen Provinzen besonders das allhekannteste zu Ygel bei Trier
und das zu Pettnu in Steiermark ausgezeichnet. Doch die Huuptabsicht des Vortragenden
ging dahin, sich über das Römische hinaus dem Griechischen, der Grabrnlilersitle vor-
nehmlich der Athener sich zuzuwenden, hier wiederum besonders hel der neuerlich auf-
gegrnbonen Griberstrasse bei Athen zu verweilen, welche neben der pompejanischen fortan
die allgemeine Aufmerksamkeit nicht nur vorübergehend fesseln wird. Es kam bei dem
Vortrage zu Statten, dass von zwei Grabreliefs dieser neuen Entdeckung eben Abgüsse in
Wien angekommen waren und im Oesterr. Museum wenigstens vorübergehend aufgestellt
werden konnten. Dieselben sind als Univsrsitlitseigenthnm nach der gegenwärtig be-
stehenden provisorischen Einrichtung nunmehr in der Gypssammlung der Akademie der
bildenden Künste in der Annagasss zu finden. Ganz besondere Aufmerksamkeit verdient
das eine Relief, das einer gewissen Hegeso, Tochter eines-Proxenos. Es bietet ein beson-
ders reines Beispiel der griechisch-attischen Weise, das Grabmal des Verstorbenen in aller
Schlichtheit nur durch Anbringen der Bilder dessen zu schmücken, was der Verstorbene
im Leben war. wobei, nur schwer mit Worten kenntlich zu machen, aber jedem Beschauer
fühlbar, eine milde Traurigkeit wie die eines in sich gefassten Gsmiitbes iiber dem Ganzen
ausgebreitet liegt.
Bei aller Bewunderung solcher Art wurde nicht übersehen, dass mancherlei kleine
Mängel in der Arbeit dieser abesbilder leicht herauszufinden seien; es wurde daran er-
innert, dass freilich es nicht e Künstler damals ersten Ranges sein werden, denen wir
diese Reliefs zusutrauen habed, dass Handwerker, aber griechische, attische Handwerker
sie snfertigten und zwar gerade in einer Zeit (um das Jahr 400 v. Chr. nämlich, um eine
runde Zahl zu nennen), in welcher die grosse Plastik von der Band eines Phidias in un-
unterbrochener Tradition der Uebung und Weiterbildung in die eines Skopas gelangt war
und in der langen Reibe von schöpferischen Jahren endlich nothwendig auch eine auf
langer Uebung, auf vollem Sicheinleben beruhende Schulung der untergeordueteren Künstler
durchgeführt war. Deshalb haben wir in diesen neuentdeckten Grahmlilern das ettische
Kunsthandwerk, auf den Schultern der grossen Plastik ruhend, auf besonders glänzender
Höhe der Leistung. Auch das schon länger im Oesterr. Museum im Abgusse aufgestellte
Grabmal des im Jahre 394 vor Chr. im korinthischen Kriege gefallenen jungen Ritters
Daxileos gehört übrigens zu den Funden der neuen Griibersüasse, welche endlich auch
dadurch noch belehrend sind, dass sie in erhaltenen Farbespuren wiederum einige Belege
für die Polychronsie der griechischen Plastik geliefert haben .
Ein Schlusswort des Vortragenden gab sozusagen die Moral zu der historischen
Betrachtung, erinnerte, wie der Anblick der attiscben, iiir alle Zeiten und Menschen ihrer
Art nach rausterhaßen Grabsteine uns der Barbarei eingedenk machen solle, welche auf