EINE
„UNABHÄNGIGE"
WOHNUNG
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Nach persönlichem Geschmack gestaltet
frei von modischem Diktat
FRANZ WINDISC]
GRAETZ
Eine Wohnung, wie man sie kaum je in den einschlägigen
mitteleuropäischen Zeitschriften, die sich mit Innende-
koration und Wohnungsgestaltung befassen, zu Gesicht
bekommt. Sie läßt sich in keine der beiden Hauptgruppen
einordnen, deren Beispiele, zwar jedesmal leicht variiert,
dennoch bereits durch die ständige XVicderholung und
Propagierung zu Schablonen geworden sind. Eigentlich
erübrigt sich der Hinweis, daß sie nichts mit jenen Woh-
nungen gemeinsam hat, die ausschließlich mit zeitge-
nössisehem Mobiliar eingerichtet sind. Aber auch in die
zweite Gruppe paßt sie nicht, bei der es darum geht,
Räume zu zeigen, deren Ausstattung zum überwiegenden
Teil aus alten Möbeln besteht. Man wird nämlich hier
vergeblich alle die Requisiten suchen, die heute bereits
für jeden unentbehrlich geworden sind, der Vorliebe und
Verständnis für Antiquitäten s 0 vor seinem Bekannten-
kreis unter Beweis stellen will, wie es ä la mode ge-
worden ist: mit Barockengeln, die vor kahlen Wänden
flatternd ins Leere lächeln oder gotischen Skulpturen,
die isoliert wie Versatzstüeke einer modernen Inszenie-
rung im Raume stehen; mit Maria Theresien-Schrlinken
und mit Kommoden, über die zu Deckerln verarbeitete
Brokatparamente gehreitet sind; mit Renaissaneetruhen
und Refektoriumtischen, auf denen Bronzemörser und
1 Unbekannter russischer Maler, Porträt (Gounche) der Für-
stin Antonia zu Sayn-Wittgenstein, geb. Gräfin Snarska, Gat-
tin des Fürsten Ludwig Adolf Peter zu Sayn-Wittgenstein, rus-
sischen Generalleldmarschalls. der 1812 die berühmte Schlacht
an der Beresina schlug und bis zur Übernahme des Oberbefehls
durch den Fürsten Sehwarzenberg die alliierten Armcrn be-
fehligte. - Besonders reizvoll ist die Verzierung des farbigen
Passepartouts mit geprellten dünnen Metallauflagen (der ei-
gentliche Rahmen des Bildes ist ein schmaler Papierstreifen. der
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