KUNSTSAMMELN IN USTERREICH
KURT ROSSACHER
Gedanken zum neuen Denkmalschuizgeseiz
Das Sammeln alter und neuer Kunst ist im österreichi-
schen Volk weit verbreitet und gehört zu seinen wert-
vollsten und liebenswertesten Neigungen. jene eigen-
artige Mischung von oft dilettantisehem Kennertum, sebr
realer Wertspekulation und Besitzerfreude ist dabei stets
von einer echten Liebe zum Schönen angetrieben. Der
Kunstsammler ist ein „Lieb-baber" im wahrsten Sinne
des Wortes: Er liebt nicht nur in der platonischen Liebe
des Museumsbesuchers, sondern er muil den geliebten
Gegenstand auch haben, in einer sinnlichen Form be-
sitzen. Diese Tradition des Sammelns ist in Österreich
Jahrhunderte alt. Sie begann mit den alten historischen
Sammlungen des l-lochadels wie der llarrach und Czer-
nin. Sie erlebte einen Höhepunkt in den zahlreichen
großen und kleinen bürgerlichen Sammlungen des 19.
und frühen 20. Jahrhunderts, der Miller-Aicltholz, Wal-
cher-Moltheim, Figdor und Weinberger, um nur einige
zu nennen. Sie reicht schließlich bis zu zahlreichen neu
entstandenen Sammlungen der jüngsten Zeit, unter denen
die Zinnsammlung Rubmann erst im Vorjahr durch ihre
Ausstellung im Innsbrucker Museum Ferdinandeum gro-
ßes Aufsehen erregt hat. Diese Sammlungen vertreten
alle Richtungen und Rangstufen von der skurrilen un-
konzentrierten Ansammlung bis zum fachmännisch auf-
gebauten kleinen Privatmuseum höchster Qualität, von
der Schnupftabakdasensamrnlung bis zur Gemäldegale-
rie. Welche Fülle von individuellen und originellen Er-
scheinungsformen in diesem Volk künstlerisch begabter
Individualisten!
Das Denkmalscbutzgesetz von 1923 und das Ausfuhr-
vcrbotsgesetz von 1919 haben in der Depression der
Nachkriegsjahre dem Bundesdenkmalamte in der Er-
kenntnis der kulturellen Bedeutung dieser Objekte die
Möglichkeit gegeben, durch Untcrschutzstellung einzel-
ner Objekte und ganzer Sammlungen, das Vorhandene
zu erhalten und einen Abverkauf ins Ausland zu ver-
hindern. - Die Situation von 1923 war auch depri-
mierend genug. Mühsam versuchte man das große kul-
turpolitisehe Erbe Altösterreiclts auf die neuen, kleinen
Verhältnisse zu übertragen. Vor allem galt es, das be-
wegliche Kunstgut alter historischer Sammlungen zu
erhalten.
Der Erfolg des Gesetzes war durch die unklaren Be-
stimmungen und seine Verjährungsfristen nur ungenü-
gend. Dazu kam in den jahren nach 1938 die verhängnis-
volle Öffnung der Grenzen nach Deutschland. S0 haben
trotz der Gesetze viele bedeutende Objekte das Land
verlassen; es konnte weder die Sammlung Figdur ge-
halten werden, noch die Salzburgei" Krippensammlung
Sehmcderer, um einige zu nennen, vom Verlust der
Liechtensteingalerie ganz zu schweigen. Wenn das Bun-
desdenkmalamt heute darum kämpft, in einem umfassen-
den neuen Denkmalschutzgesetz ein brauchbares lnstru-
ment in seinem Kampf um die Erhaltung unserer Kultur-
güter zu bekommen, muß dies von jedem kulturbewuß-
ten Österreicher begrüßt werden.
In der Frage des beweglichen Kunstbesitzcs wird das
Gesetz in einer sehr vorsichtigen Form die Eigentums-
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interessen der Bürger und das Allgemeininteresse gegen-
einander abwiegen müssen.
Sehr wichtig ist dabei die Beurteilung der heutigen Situa-
tion. Nach Überwindung der Katastrophe von 1945 ist
die alte Liebe und Freude des Österreichers am Kunst-
sammeln mit neuer Intensität hervorgetreten. Neue
Sammlungen jeder Art und Größe haben sich gebildet.
Die wirtschaftliche Konjunktur hat diese Entwicklung
weitgehend gefördert. I)er im Inland entstandene große
Bedarf an Objekten wird nun schon fast seit 10 Jahren
durch Kunsthandel und Dorothcum weitgehend durch
Importe aus allen Ländern der Welt gedeckt. Der öster-
reichische Sammler ist heute bereit und imstande, für
ein Kunstwerk seines Intercssengebietes auch einen in-
ternationalen Preis zu opfern. Österreichische Objekte
- seien es nun Gläser von Kothgasser oder Mildner,
Gemälde Altwiener Maler oder gotische Plastiken -
werden heute in vielen Fällen in Österreich am besten
bezahlt, wodurch ihre Einfuhr ermöglicht wird.
Diese erfreuliche Situation wird sich aber nur dann wei-
ter entwickeln, wenn diese Einfuhren durch möglichst
wenig staatliche Vorschriften in Frage gestellt werden.
Sie sind nur dann möglich, wenn die Gewähr besteht, daß
eingeführte Objekte später nicht durch Unterschutzstel-
lung oder Ausfuhrsperre in ihrer internationalen Gültig-
keit als Wertgegenstand behindert werden. Der Kunst-
sammler ist nicht immer ein reicher Mann. Er legt in
jedem Falle größten Wert darauf, daß sein in Kunst-
hesitz angelegter Vermügenswert gesichert ist. Er muß
bei einem späteren Notverkauf den auf dem internatio-
nalen Markt bezahlten Preis wieder erhalten. Im kleinen
Wirtsehaftsgebiet Österreich ist es nicht immer möglich,
ein sehr spezielles Objekt zu seinem Wert zu verkaufen,
wenn kein Sammler dieser Richtung vorhanden ist. Der
Sammler hat gerne auf den Zinsenertrag des investier-
ten Kapitals verzichtet, dieser wird ihm durch seine
Freude am Objekt ersetzt. Er kann aber bei eingeführten
Gegenständen keinerlei Beschränkungen des Bundes-
denkmalamtes auf sich nehmen. - Hier handelt es sich
keineswegs um ideellen historischen Kulturbesitz der
Allgemeinheit, der durch das Bundesdenkmalamt ver-
treten und im Denkmalschutzgesetz verankert ist, son-
dern um absolut neuen freien Privatbesitz.
Das Unterrichtsministerium hat anläfilich der Ausarbei-
tung des neuen Gesetzes die Gelegenheit, durch Frei-
stellung aller Importe seit 1939 von jeder Beschränkung,
durch einen klugen und weitblickenden Verzicht, weise
Kulturpolitik zu betreiben. Die österreichische Sammel-
tätigkeit wird weitgehend ermutigt, indem so für im-
portierte Kunstgegenstände die Garantie der Wertbestan-
digkcit gegeben ist. Auch der Kunsthändler wird ermu-
tigt, Kunstgegenstände einzuführen, wobei er alle jene
Objekte, die der österreichische Markt nicht aufnehmen
kann, wieder ausführen kann. Wohl hat das Bundesdenk-
malamt im Allgemeinen solche Fälle bisher im vorge-
schriebenen Ausnahmeverfahren wohlwollend positiv
entschieden. Es ist jedoch wünschenswert, daß der freie
Satus der Importe im neuen Gesetz als Recht präzisiert